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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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dann in einer Nebelwolke von Auspuffgasen zurück und kam neben ihm zum Stehen. Ein Fenster glitt hinunter, und der Nebel und Dunst der Wagenluft vermischte sich mit dem Auspuffgas, um eine Art Drachenatem zu bilden, der sich rings um das Auto legte. »Alles in Ordnung bei Ihnen?«, sagte der Polizist aus dem Wageninneren.
    Shadows erster, automatischer Impuls war zu sagen: Jawoll, alles bestens, danke schön, Officer. Aber dafür war es zu spät, und so setzte er an zu sagen: »Ich bin ziemlich durchgefroren. Ich wollte nach Lakeside gehen, um mir was zu essen und anzuziehen zu kaufen, aber ich habe die Länge des Weges unterschätzt« – so weit hatte er jedenfalls seine Mitteilung in Gedanken formuliert, bis er merkte, dass aus seinem Mund nichts weiter kam als »f-f-froren« und ein zähneklapperndes Geräusch, also fügte er hinzu: »Sch-schuldigung. Kalt. Tu-mir-Leid.«
    Der Polizist zog die Hintertür des Wagens auf und sagte: »Setzen Sie sich erst mal hier rein und wärmen Sie sich etwas auf, okay?« Shadow stieg dankbar ein. Auf dem Rücksitz rieb er die Hände aneinander und versuchte den Gedanken an erfrorene Zehen zu verdrängen. Der Polizist setzte sich wieder hinters Steuer. Shadow starrte durch das Metallgitter zu ihm nach vorn. Er versuchte, nicht daran zu denken, wie er das letzte Mal auf der Rückbank eines Polizeiautos gesessen hatte, und auch keinen Gedanken daran zu verschwenden, dass die Türen keine Griffe hatten. Stattdessen wollte er sich darauf konzentrieren, wieder etwas Leben in die Hände zu reiben. Das Gesicht tat ihm weh, und die roten Finger ebenfalls, und jetzt, im Warmen, begannen auch die Zehen wieder zu schmerzen. Aber das war vermutlich ein gutes Zeichen.
    Der Polizist legte den Gang ein und fuhr los. »Also wirklich«, sagte er, ohne sich zu Shadow umzudrehen, aber mit gehobener Stimme, »das war, wenn Sie gestatten, eine ziemliche Dummheit von Ihnen. Haben Sie denn keine Wetternachrichten gehört? Es herrschen minus fünfunddreißig Grad da draußen. Gott weiß, wo der Windchill liegt, minus fünfzig, minus sechzig, obwohl der Windchill wahrscheinlich noch die geringste Sorge ist, wenn man bei minus fünfunddreißig angekommen ist.«
    »Danke«, sagte Shadow. »Danke, dass Sie angehalten haben. Bin sehr, sehr dankbar.«
    »Eine Frau in Rhinelander ist heute Morgen in Morgenmantel und Pantoffeln nach draußen gegangen, um ihr Vogelhäuschen aufzufüllen, und daraufhin buchstäblich auf dem Bürgersteig festgefroren. Man hat sie in die Intensivstation einliefern müssen. Kam heute Morgen im Fernsehen. Sie sind neu in der Stadt.« Es war fast eine Frage, aber der Mann kannte die Antwort bereits.
    »Bin letzte Nacht mit dem Greyhound angekommen. Dachte, ich könnte mir heute warme Kleidung, was zu essen und ein Auto besorgen. Hab nicht damit gerechnet, dass es so kalt wird.«
    »Ja«, sagte der Polizist. »Hat mich auch überrascht. Offenbar habe ich mir in der Vergangenheit zu viele Gedanken über den Treibhauseffekt gemacht. Ich bin übrigens Chad Mulligan. Bin der Polizeichef hier in Lakeside.«
    »Mike Ainsel.«
    »Hi, Mike. Geht’s schon besser?«
    »Ein bisschen, ja.«
    »Wo soll ich Sie denn jetzt als Erstes hinbringen?«
    Shadow hielt eine Hand so lange in den warmen Luftzug aus dem Gebläse, bis die Finger wehtaten, dann zog er sie wieder weg. Nicht ungeduldig sein, alles zu seiner Zeit. »Können Sie mich einfach irgendwo im Stadtzentrum absetzen?«
    »Kommt nicht in Frage. Solange Sie mich nicht als Fluchtfahrer für Ihren Banküberfall brauchen, soll es mir ein Vergnügen sein, Sie dorthin zu bringen, wo Sie hinwollen. Betrachten Sie das hier als Begrüßungskutsche der Stadt.«
    »Was würden Sie denn vorschlagen, wo wir anfangen sollten?«
    »Sie sind also erst letzte Nacht angekommen.«
    »Richtig.«
    »Schon gefrühstückt?«
    »Noch nicht.«
    »Na, das wäre doch erst mal ein guter Ausgangspunkt«, sagte Mulligan.
    Sie hatten die Brücke inzwischen überquert und fuhren von Nordwesten in die Stadt hinein. »Hier ist die Main Street«, sagte Mulligan, »und hier«, sagte er, indem er die Straße kreuzte und rechts abbog, »ist unser Rathausplatz.«
    Selbst im Winter wirkte der Platz eindrucksvoll, aber Shadow war klar, dass man ihn eigentlich im Sommer sehen musste; dann würde hier eine Farbenorgie ausbrechen: Mohn und Lilien aller nur erdenklichen Art, und die Birkengruppe in der einen Ecke würde eine Sommerlaube in Grün und Silber darstellen. Im Moment war

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