Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
nördlich der Dells kommen auch keine Touristen mehr her, höchstens eine Hand voll Jäger und ein paar Jugendliche, die an den Seen kampieren – aber die lassen auch kein Geld in den Ortschaften.«
    »Lakeside macht aber doch einen recht wohlhabenden Eindruck.«
    Der Alte blinzelte mit den blauen Augen. »Glauben Sie mir nur, da steckt harte Arbeit dahinter«, sagte er. »Harte Arbeit. Aber das hier ist eine gute Stadt, und all die Arbeit, die die Leute hier reinstecken, die ist es wert. Nicht, dass meine Familie nicht arm gewesen wäre, als ich klein war. Fragen Sie mich mal, wie arm wir als Kinder waren.«
    Shadow setzte sein Stichwortgebergesicht auf und sagte: »Wie arm waren Sie als Kinder, Mister Hinzelmann?«
    »Nur Hinzelmann, Mike. Wir waren so arm, dass wir uns nicht mal ein Feuer leisten konnten. An Silvester pflegte mein Vater an einem Stück Pfefferminz zu saugen, und wir Kinder standen im Kreis um ihn herum, die Hände ausgestreckt, damit wir uns am Glühen erwärmen konnten.«
    Shadow schnalzte laut mit der Zunge. Hinzelmann rückte die Balaklavamütze wieder zurecht, knöpfte den zu großen karierten Mantel zu, zog die Autoschlüssel aus der Tasche und streifte schließlich seine großen Handschuhe über. »Wenn’s Ihnen hier zu langweilig wird, kommen Sie einfach runter zum Laden und fragen dort nach mir. Ich zeig Ihnen dann meine Sammlung von handgeknüpften Angelfliegen. Das wird Sie allerdings so anöden, dass es eine Erleichterung sein wird, wieder hierher zurückzukommen.« Seine Stimme war gedämpft, aber zu verstehen.
    »Mach ich«, sagte Shadow lächelnd. »Wie geht’s Tessie eigentlich?«
    »Hält Winterschlaf. Im Frühling ist sie wieder da. Passen Sie auf sich auf, Mr. Ainsel.« Er ging hinaus und machte hinter sich die Tür zu.
    Die Wohnung wurde noch kälter.
    Shadow zog Mantel und Handschuhe an. Danach die Stiefel. Er konnte kaum noch durchs Fenster durchgucken; die Eisschicht auf der Innenseite der Scheibe verwandelte den Blick auf den See allmählich in ein abstraktes Bild.
    Sein Atem dampfte in der Zimmerluft.
    Er ging hinaus auf die Holzveranda und klopfte an die benachbarte Wohnungstür. Er hörte eine Frauenstimme, die jemandem zurief, er möge um Himmels willen die Klappe halten und den Fernseher leiser machen – ein Kind, dachte er, Erwachsene wurden von anderen Erwachsenen nicht auf diese Weise angeschrien. Die Tür wurde geöffnet, und eine müde wirkende Frau mit sehr langem und sehr schwarzem Haar beäugte ihn misstrauisch.
    »Ja?«
    »Guten Tag, Madam. Ich bin Mike Ainsel. Ihr neuer Nachbar.«
    Ihr Gesichtsausdruck blieb völlig unbewegt. »Ja?«
    »Ma’am. In meiner Wohnung ist es eiskalt. Es kommt zwar ein bisschen warme Luft aus dem Heizungsrost, aber das reicht nicht, um die Wohnung aufzuheizen, nicht mal annähernd.«
    Sie musterte ihn von oben bis unten, dann bewegte der Anflug eines Lächelns ihre Mundwinkel, und sie sagte: »Dann kommen Sie erst mal herein. Sonst wird es hier auch bald ganz ausgekühlt sein.«
    Er trat in die Wohnung. Über den ganzen Fußboden war buntes Plastikspielzeug verstreut. An einer Wand lagen kleine Haufen Geschenkpapier mit Weihnachtsmotiven. Ein kleiner Junge saß wenige Zentimeter vor dem Fernseher, auf dem das Hercules -Video von Disney lief – gerade stampfte und brüllte ein Zeichentricksatyr quer über den Bildschirm. Shadow wandte dem Apparat den Rücken zu.
    »Okay«, sagte sie. »Machen Sie Folgendes. Zuerst dichten Sie die Fenster ab – das nötige Zeug dazu können Sie bei Hennings kaufen. Es ist wie Klarsichtfolie, aber für Fenster. Kleben Sie das vor die Fenster, und wenn Sie sich die Mühe machen wollen, können Sie auch noch mit dem Föhn dagegenblasen, dann hält es den ganzen Winter. Damit verhindern Sie, dass die Wärme durch die Fenster entweicht. Dann kaufen Sie sich ein oder zwei Heizgeräte. Die Heizungsanlage im Haus ist alt, mit richtiger Kälte wird die nicht fertig. Wir hatten zuletzt ein paar milde Winter, vermutlich sollten wir dankbar sein.« Dann streckte sie die Hand aus. »Marguerite Olsen.«
    »Freut mich«, sagte Shadow. Er streifte den rechten Handschuh ab, damit er ihr die Hand schütteln konnte. »Wissen Sie, Ma’am, ich hatte Olsens eigentlich immer für blonder eingeschätzt.«
    »Mein Exmann war blond wie sonstwas. Blond und rotgesichtig. Wäre auch bei vorgehaltenem Gewehr nicht braun geworden.«
    »Missy Gunther hat mir erzählt, dass Sie für die Lokalzeitung schreiben.«
    »Missy

Weitere Kostenlose Bücher