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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Langstreckennachtflug für Herren, einem Charterflug für Leute, die ein bisschen mit Geld um sich werfen wollen. Ich habe sie davon überzeugt, dass wir mit von der Partie sein sollten.«
    »Verlieren Sie denn nie die Lust am Lügen?«, fragte Shadow. Es war eine zurückhaltende, neugierige Frage.
    »Nicht im Geringsten. Außerdem ist es wahr. Wir spielen um den höchsten Einsatz überhaupt. Wir dürften nicht länger als ein paar Stunden bis nach Madison brauchen, die Straßen sind frei. Schließen Sie also die Tür ab, aber schalten Sie vorher noch die Heizgeräte aus. Es wäre doch schrecklich, wenn Sie in Ihrer Abwesenheit das Haus niederbrennen würden.«
    »Wen werden wir in Las Vegas treffen?«
    Wednesday sagte es ihm.
    Shadow schaltete die Heizgeräte aus und packte ein paar Sachen in eine Reisetasche, dann drehte er sich zu Wednesday um und sagte: »Also, ich komme mir irgendwie ein bisschen blöd vor. Sie haben mir zwar gerade eben gesagt, wen wir treffen werden, aber ich weiß es schon nicht mehr. Irgendwie muss es bei mir ausgesetzt haben. Es ist völlig weg. Wer war es jetzt gleich wieder?«
    Wednesday sagte es ihm noch einmal.
    Diesmal hätte Shadow es fast gehabt. Der Name lag ihm praktisch auf den Gehirnlappen. Er hätte, dachte er, noch besser aufpassen sollen, als Wednesday es ihm gesagt hatte. Er ließ die Sache auf sich beruhen.
    »Wer fährt?«, fragte er Wednesday.
    »Sie«, sagte Wednesday. Sie verließen das Haus, stiegen die Holztreppe hinab und gingen über den vereisten Weg zu einer am Straßenrand geparkten schwarzen Lincoln-Limousine.
    Shadow setzte sich ans Steuer und fuhr los.
     
    Wenn man das Kasino betritt, wird man von allen Seiten mit Einladungen bedrängt – Einladungen solcher Art, dass es schon eines Menschen aus Stein bedürfte, eines Menschen ohne Herz, ohne Rücksicht und seltsam unberührt von Habsucht, sie auszuschlagen. Hör nur: ein Maschinengewehrprasseln von Silbermünzen, die in die Auffangschale eines Spielautomaten purzeln und spritzen und überquellend auf monogrammierte Teppiche fallen, wird sogleich übertönt vom sirenenartigen Klirren der Automaten, dem klingelnd knackenden Chor, der aber seinerseits von dem riesigen Saal verschluckt wird und, wenn man an den Kartentisch tritt, zu einem beruhigenden Hintergrundklappern gedämpft ist, gerade laut genug, den Adrenalinfluss in den Adern des Spielers aufrecht zu erhalten.
    Die Kasinos besitzen ein Geheimnis, ein Geheimnis, das sie hüten und in Ehren halten, das heiligste ihrer Mysterien. Die meisten Leute spielen nämlich letzten Endes nicht, um Geld zu gewinnen, obwohl es das ist, was man ihnen verkauft, was die Werbung und auch ihre Träume behaupten. Und doch ist dies nur die bequeme Lüge, die sie durch die riesigen, stets offenen, einladenden Türen schleust.
    Das Geheimnis ist dieses: Die Leute spielen, um zu verlieren. Sie kommen ins Kasino, um den Augenblick zu erleben, in dem sie sich lebendig fühlen, um auf dem sich drehenden Rad mitzuwirbeln und mit den Karten gewendet zu werden und sich mit den Münzen in den Automaten zu verlieren. Sie mögen von den Nächten prahlen, in denen sie gewannen, von dem Geld, das sie aus dem Kasino trugen, aber in Ehren halten sie, und sei es heimlich, die Gelegenheiten, da sie ihr Geld verloren. Es ist eine Art Opfer.
    Das Geld fließt in einem ununterbrochenen grünen und silbernen Strom durch das Kasino, fließt von Hand zu Hand, vom Spieler zum Croupier zum Kassierer zur Geschäftsführung zum Sicherheitsdienst, und landet schließlich im Allerheiligsten, im Zählzimmer. Und hier, im Zählzimmer dieses Kasinos, geschieht es, dass man zur Ruhe kommt, hier, wo die Scheinchen sortiert, gestapelt, registriert werden, hier in einem Raum, der allmählich überflüssig wird, da das Geld, das durchs Kasino fließt, zusehends imaginär ist – eine elektrische Abfolge von An- und Aus-Zuständen, durch Telefonkabel fließende Sequenzen.
    Im Zählzimmer sieht man drei Männer, die unter dem glasigen Starren der Kameras, die sie sehen können, und dem insektenhaften Blick der Minikameras, die sie nicht sehen können, das Geld zählen. Im Laufe einer Schicht geht jedem dieser Männer mehr Geld durch die Hände, als er in sämtlichen Lohntüten seines Lebens zu sehen bekommen wird. Jeder dieser Männer träumt, wenn er schläft, vom Geldzählen, träumt von Bündeln und Banderolen und Zahlen, die unaufhaltsam steigen, die sortiert werden und wieder weg sind. Jeder der drei Männer

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