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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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hat, mindestens einmal die Woche, ein paar Gedanken daran verschwendet, wie es wohl anzustellen wäre, das Sicherheitssystem des Kasinos zu umgehen, um mit so viel Geld abzuhauen, wie man nur tragen kann; und jeder der Männer hat bei näherer Untersuchung dieses Traums eingesehen, wenn auch widerwillig, dass es nicht zu machen ist, hat sich mit dem regelmäßigen Gehaltsscheck zufrieden gegeben und das doppelte Schreckgespenst des Gefängnisses und des namenlosen Grabes gebannt.
    Und hier, im Allerheiligsten, sind also die drei Männer, die das Geld zählen, sind ferner die Wächter, die auf alles aufpassen und das Geld bringen und wegtragen, und ist schließlich noch eine weitere Person. Der kohlengraue Anzug sieht makellos aus, das Haar ist dunkel, er ist glatt rasiert, und Gesicht wie Auftreten wirken in jeder Hinsicht unauffällig, leicht zu vergessen. Keinem der anderen Männer ist seine Anwesenheit je aufgefallen, und selbst wenn sie sie bemerken, ist sie ihnen sogleich wieder entfallen.
    Wenn die Schicht zu Ende ist, werden die Türen geöffnet, der Mann im grauen Anzug verlässt den Raum und geht, die Wächter an seiner Seite, durch die Flure, wobei ihre Füße lautlos über die monogrammierten Teppiche huschen. Das Geld wird in Kassetten zu einem Binnenladeplatz gerollt, wo man es in gepanzerte Wagen lädt. Während die Türen der Rampe aufschwingen, um den gepanzerten Wagen in die frühmorgendlichen Straßen von Las Vegas zu entlassen, geht der Mann im grauen Anzug unbemerkt durch die Tür und schlendert über die Rampe auf den Bürgersteig hinaus. Die Imitation von New York zu seiner Linken würdigt er mit keinem Blick.
    Las Vegas ist zu einem Bilderbuchtraum einer Stadt geworden – hier ein Märchenschloss, dort eine von Sphinxen flankierte schwarze Pyramide, die weißes Licht in die Dunkelheit hinausstrahlt – als Landestrahl für Ufos – und allüberall verheißen Neonorakel und riesige Drehbildschirme Glück im Leben sowie Glück im Spiel, kündigen Sänger und Komiker und Zauberer an, zu einmaligen oder längeren Gastspielen, und die Lichter blitzen ständig, rufen und werben. Einmal die Stunde bricht ein Vulkan aus Licht und Flammen aus. Einmal die Stunde wird ein Kriegsschiff von einem Piratenschiff versenkt.
    Der Mann im grauen Anzug schlendert gemütlich den Bürgersteig entlang und spürt dabei das Fließen des Geldes in der Stadt. Im Sommer dampfen die Straßen, und aus jedem Ladeneingang bläst winterkalt klimatisierte Luft in die brütende Hitze hinein und kühlt den Schweiß auf seinem Gesicht. Jetzt, im Wüstenwinter, herrscht eine trockene Kälte, die ihm weitaus angenehmer ist. In seiner Vorstellung bildet die Bewegung des Geldes ein wunderbares Gitterwerk, ein dreidimensionales Fadenspiel aus Licht und Bewegung. Was er attraktiv an dieser Wüstenstadt findet, ist die Geschwindigkeit der Bewegung, die Art, wie das Geld von Ort zu Ort, von Hand zu Hand wechselt: Er empfindet es wie einen Kick, wie einen Rausch, und es treibt ihn wie einen Süchtigen auf die Straße.
    Ein Taxi folgt ihm langsam, es hält Abstand. Er bemerkt es nicht; es liegt ihm völlig fern, es zu bemerken: Er wird seinerseits so selten bemerkt, dass er die Vorstellung, er könnte verfolgt werden, für ziemlich abwegig halten muss.
    Es ist vier Uhr morgens, und er sieht sich von einem Hotel mit Kasino angezogen, das seit dreißig Jahren nicht mehr dem Stil der Zeit entspricht und das es nur noch auf Abruf gibt, weil man es bald, morgen oder in sechs Monaten, sprengen wird, um an seine Stelle einen Vergnügungspalast zu setzen und es für immer zu vergessen. Niemand kennt ihn, niemand erinnert sich an ihn. Die schäbige Bar in der Eingangshalle liegt ruhig da, die Luft ist von altem Zigarettenrauch blau geschwängert. In einem Privatzimmer weiter oben steht gerade jemand im Begriff, einige Millionen Dollar bei einem Pokerspiel zu verlieren. Der Mann im grauen Anzug lässt sich mehrere Stockwerke unterhalb der Pokerrunde in der Bar nieder, wird aber von der anwesenden Kellnerin ignoriert. Eine Muzakversion von »Why Can’t He Be You?« ertönt an der Wahrnehmungsgrenze. Fünf Elvis-Presley-Imitatoren, jeder in einem andersfarbigen Jumpsuit, sehen sich die Wiederholung eines Footballspiels auf dem Bar-Fernseher an.
    Ein großer Mann im hellgrauen Anzug setzt sich an den Tisch des Mannes im kohlengrauen Anzug, und sobald die Kellnerin ihn, wenn auch nicht den Mann im kohlengrauen Anzug, bemerkt, kommt sie, die viel zu

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