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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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dünn ist, um als hübsch zu gelten, zu offensichtlich magersüchtig, um im Luxor oder im Tropicana zu arbeiten, und die die Minuten bis zu ihrem Feierabend zählt, herbeigeeilt und lächelt. Er grinst breit zurück. »Sie sehen heute Abend verführerisch aus, meine Liebe, ein erfreulicher Anblick für diese armen alten Augen«, sagt er, und sie quittiert dies, da sie ein üppiges Trinkgeld wittert, mit einem strahlenden Lächeln. Der Mann im hellgrauen Anzug bestellt für sich einen Jack Daniels und für den neben ihm sitzenden Mann im kohlengrauen Anzug einen Laphroaig mit Wasser.
    »Tja«, sagt der Mann im hellgrauen Anzug, nachdem sein Drink eingetroffen ist, »das schönste Stück Poesie in der Geschichte dieses ganzen verdammten Landes wurde von Canada Bill im Jahre 1853 in Baton Rouge ausgesprochen, während er bei einem betrügerischen Faro-Spiel bis aufs Hemd ausgenommen wurde. George DevoJ, der, ebenso wie Canada Bill, keineswegs abgeneigt war, hin und wieder irgendeinem Tölpel das Fell über die Ohren zu ziehen, zog Bill beiseite und fragte ihn, ob er denn nicht bemerkt habe, dass dieses Spiel der reine Beschiss sei. Und Canada Bill seufzte achselzuckend und antwortete: ›Ich weiß. Aber es ist das einzige Spiel in der Stadt.‹ Und ging zurück an den Spieltisch.«
    Dunkle Augen starren den Mann im hellgrauen Anzug misstrauisch an. Der Mann im kohlengrauen Anzug gibt eine Antwort. Der Mann im hellgrauen Anzug, der einen rötlichen Bart mit grauen Strähnen trägt, schüttelt den Kopf.
    »Also«, sagte er, »was da in Wisconsin passiert ist, tut mir Leid. Aber ich habe euch alle heil da rausgeholt, oder nicht? Niemand ist verletzt worden.«
    Der Mann im dunklen Anzug nippt an seinem Laphroaig mit Wasser, genießt den sumpfigen Geschmack, die torfig-körperreiche Qualität des Whiskys. Er stellt eine Frage.
    »Ich weiß nicht. Alles entwickelt sich schneller, als ich dachte. Alle sind sie ganz scharf auf den Jungen, den ich als Laufburschen engagiert habe – ich hab ihn übrigens mitgebracht, er wartet draußen im Taxi. Bist du noch dabei?«
    Der Mann im dunklen Anzug antwortet.
    Der Bärtige schüttelt den Kopf. »Sie ist seit zweihundert Jahren nicht gesehen worden. Entweder ist sie tot, oder sie hat sich aus allem rausgezogen.«
    Noch etwas wird gesagt.
    »Pass auf«, sagt der Bärtige, indem er seinen Jack Daniels hinunterkippt. »Mach einfach mit, sei da, wenn wir dich brauchen, und ich kümmere mich um dich. Was möchtest du haben? Soma? Ich kann dir eine Flasche Soma besorgen. Echtes.«
    Der Mann im dunklen Anzug starrt vor sich hin. Dann nickt er zögernd und macht eine Anmerkung.
    »Klar bin ich das.« Der Bärtige lächelt wie ein Klappmesser. »Was erwartest du? Aber sieh es doch mal so: Es ist das einzige Spiel in der ganzen Stadt.« Er streckt seine Hand, eher eine Pranke, aus und schüttelt die tadellos manikürte Hand des anderen Mannes. Dann entfernt er sich.
    Die dünne Kellnerin kommt herbei und ist verwirrt: Da sitzt nur noch ein Mann am Ecktisch, ein exquisit gekleideter Mann in einem kohlengrauen Anzug. »Alles in Ordnung?«, fragt sie ihn. »Kommt Ihr Bekannter noch mal wieder?«
    Der Mann mit den dunklen Haaren seufzt und erklärt, dass sein Bekannter nicht mehr wiederkommen werde und sie somit weder für ihre Zeit noch für ihre Mühen belohnt werden würde. Aber dann sieht er die Kränkung in ihren Augen und bekommt Mitleid mit ihr und nimmt deshalb die goldenen Fäden in seinem Kopf unter die Lupe, beobachtet das Gewebe, folgt dem Geld, bis er einen Knotenpunkt entdeckt, und sagt ihr schließlich, dass sie, wenn sie sich um Punkt sechs Uhr früh, dreißig Minuten nach Ende ihrer Schicht, vor dem Treasure Island einfinde, dort einen Onkologen aus Denver kennen lernen könne, der gerade vierzigtausend Dollar beim Würfeln gewonnen habe und einen Berater benötigen werde, einen Partner, oder besser: eine Partnerin, die ihm dabei helfe, das ganze Geld in den achtundvierzig Stunden, bevor er das Flugzeug nach Hause besteige, wieder unter die Leute zu bringen.
    Die Worte verlieren sich im Kopf der Kellnerin, aber sie machen sie glücklich. Seufzend nimmt sie zur Kenntnis, dass die Typen in der Ecke sich verdrückt und ihr nicht mal ein Trinkgeld hinterlassen haben, und sie fasst den Plan ins Auge, nach Feierabend nicht direkt nach Hause zu fahren, sondern noch einen Abstecher rüber zum Treasure Island zu machen, aber sie wäre, wenn man sie fragen würde, völlig außerstande zu

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