American Gods
dich, Mad Sweeney, mein Freund, und einen Jack Daniels für mich. Und das hier ist für Sie, Shadow.«
»Was ist das?«
»Probieren Sie nur.«
Das Getränk hatte eine gelbbraun-goldene Farbe. Shadow nahm einen kleinen Schluck und bekam eine seltsame Mischung aus sauer und süß auf die Zunge. Er konnte den Alkohol darunter schmecken und die merkwürdige Mischung der Aromen. Ein wenig erinnerte es ihn an den Gefängnisfusel, den sie in Mülltüten aus faulem Obst, Brot, Zucker und Wasser gebraut hatten, aber das hier war süßer und weitaus sonderbarer.
»Okay«, sagte Shadow. »Ich hab’s probiert. Was ist es?«
»Met«, sagte Wednesday. »Honigwein. Der Trank der Helden. Der Trank der Götter.«
Shadow nahm noch einen vorsichtigen Schluck. Ja, den Honig konnte man schmecken, fand er. Das war aber nur eine der Geschmacksnoten. »Schmeckt irgendwie nach Eingelegtem«, sagte er. »Süßer Essigsaftwein.«
»Schmeckt wie die Pisse von einem besoffenen Diabetiker«, stimmte Wednesday ihm zu. »Ich kann das Zeug nicht ausstehen.«
»Warum haben Sie es mir dann vorgesetzt?«
Wednesday starrte Shadow mit seinen unegalen Augen an. Eines davon, befand Shadow, war ein Glasauge, konnte aber nicht entscheiden, welches der beiden.
»Ich habe Ihnen Met zu trinken gebracht, weil es die Tradition verlangt. Und im Moment brauchen wir so viel Tradition, wie wir nur kriegen können. Es besiegelt unsere Abmachung.«
»Wir haben keine Abmachung getroffen.«
»Aber sicher. Sie arbeiten jetzt für mich. Sie beschützen mich. Sie befördern mich von einem Ort zum anderen. Sie machen Besorgungen. Im Notfall, aber nur im Notfall, tun Sie Leuten weh, denen wehgetan werden muss. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass ich zu Tode komme, halten Sie die Totenwache. Ich wiederum werde dafür sorgen, dass Ihren Bedürfnissen in angemessener Weise Rechnung getragen wird.«
»Er wickelt Sie ein«, sagte Mad Sweeney und rieb sich den rötlichen Stoppelbart. »Er ist ein Bauernfänger.«
»Logisch bin ich ein Bauernfänger«, sagte Wednesday. »Deswegen brauche ich ja jemanden, der sich um meine Angelegenheiten kümmert.«
Der Song in der Jukebox ging zu Ende, alle Unterhaltungen stockten, und so herrschte für einen Augenblick Stille in der Bar.
»Jemand hat mir mal erzählt, dass diese Momente, wo plötzlich alle gleichzeitig still sind, sich immer nur um zwanzig nach oder um zwanzig vor ereignen«, sagte Shadow.
Sweeney zeigte auf die Uhr, die im riesigen und gleichgültigen Maul eines ausgestopften Alligators über der Theke hing. Es war 23 Uhr 20.
»Da«, sagte Shadow. »Ich weiß allerdings ums Verrecken nicht, warum das so ist.«
»Ich weiß es«, sagte Wednesday. »Trinken Sie Ihren Met.«
Shadow kippte den Rest mit einem langen Schluck hinunter. »Auf Eis würde er vielleicht besser schmecken«, sagte er.
»Oder auch nicht«, sagte Wednesday. »Es ist ein fürchterliches Zeug.«
»Fürwahr«, stimmte Mad Sweeney zu. »Ihr entschuldigt mich für einen Moment, meine Herren, ich verspüre das starke und dringende Bedürfnis nach einer ausgiebigen Pinkelpause.« Er stand auf und entfernte sich, ein unglaublich hoch gewachsener Mann. Er musste gut und gern zwei Meter zehn messen, schätzte Shadow.
Eine Kellnerin wischte mit einem Tuch über den Tisch und trug die leeren Teller ab. Wednesday sagte ihr, sie möge für alle noch einmal das Gleiche bringen, Shadows Met diesmal allerdings on the rocks.
»Wie auch immer«, sagte Wednesday, »das ist es, was ich von Ihnen erwarte.«
»Möchten Sie meine Wünsche hören?«, fragte Shadow.
»Nichts könnte mich glücklicher machen.«
Die Kellnerin brachte die Getränke. Shadow nippte an seinem Met on the rocks. Das Eis brachte nicht viel – wenn überhaupt, dann verschärfte es die Säure und sorgte dafür, dass der Geschmack länger im Mund blieb, nachdem man das Zeug hinuntergeschluckt hatte. Shadow aber tröstete sich mit der Tatsache, dass das Ganze nicht sehr nach Alkohol schmeckte. Er wollte sich nicht betrinken. Noch nicht.
Er atmete tief durch.
»Okay«, sagte Shadow. »Mein Leben, das drei Jahre lang weit davon entfernt war, das tollste Leben aller Zeiten zu sein, hat soeben eine entschiedene und plötzliche Wendung zum Schlechteren genommen. Da gibt es zunächst einmal ein paar Dinge, die ich erledigen muss. Ich möchte zu Lauras Beerdigung gehen. Ich möchte mich verabschieden. Ich sollte ihre Angelegenheiten regeln. Wenn Sie mich dann immer noch
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