American Gods
»Können wir aufbrechen?«
»Aber nicht jeder träumt vom Wakinyau , dem Donnervogel«, sagte Whiskey Jack. »Wir haben das Echo bis hierher gespürt.«
»Na, hab ich Ihnen das nicht gesagt, Shadow«, sagte Wednesday. »Meine Güte.«
»Es gibt ein Gelege von Donnervögeln in West Virginia«, sagte Chapman müßig. »Ein paar Hennen und einen alten Hahn mindestens. Außerdem gibt es noch ein vermehrungsfähiges Paar in dem Land, das man früher State of Franklin genannt hat – aber der alte Ben hat seinen Staat ja nie bekommen –, oben zwischen Kentucky und Tennessee. Na ja, es stimmt wohl, sehr viele von ihnen hat es nie gegeben, selbst in den besten Zeiten nicht.«
Whiskey Jack streckte seine Hand aus – sie hatte die Farbe von rotem Lehm – und berührte damit sanft Shadows Gesicht. »Eyah«, sagte er. »Es ist wahr. Wenn Sie den Donnervogel jagen, könnten Sie Ihre Frau zurückholen. Aber sie gehört dem Wolf, gehört an den Ort der Toten, soll nicht auf Erden wandeln.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Shadow.
Whiskey Jacks Lippen bewegten sich nicht. »Was hat der Bison zu Ihnen gesagt?«
»Ich soll glauben.«
»Guter Rat. Werden Sie ihn befolgen?«
»Mehr oder weniger. Ja, ich glaube.« Sie redeten ohne Worte, ohne Mund, ohne Laut. Shadow fragte sich, ob sie, für die anderen beiden Männer im Zimmer, einen Herzschlag oder den Bruchteil eines Herzschlages lang in der Bewegung eingefroren waren.
»Wenn Sie Ihren Stamm finden, kommen Sie noch mal zu mir«, sagte Whiskey Jack. »Ich kann helfen.«
»Mach ich.«
Whiskey Jack ließ die Hand sinken. Dann wandte er sich an Wednesday. »Gehst du zurück zu deinem Ho Chunk?«
»Meinem was?«
»Ho Chunk . So nennen die Winnebago sich selbst.«
Wednesday schüttelte den Kopf. »Das ist zu riskant. Es könnte problematisch sein, ihn weiter zu benutzen. Sie werden danach Ausschau halten.«
»Ist er gestohlen?«
Wednesday schien gekränkt zu sein. »Kein bisschen. Die Papiere liegen im Handschuhfach.«
»Und die Schlüssel?«
»Die habe ich«, sagte Shadow.
»Mein Neffe, Harry Bluejay, hat einen 81er Buick. Gebt mir doch die Schlüssel von eurem Campingbus. Ihr könnt sein Auto nehmen.«
Wednesday war aufgebracht. »Was ist denn das für ein Tausch?«
Whiskey Jack zuckte die Achseln. »Hast du eine Vorstellung, wie schwer es sein wird, euren Camper von da zurückzuholen, wo ihr ihn habt stehen lassen? Ich tue euch nur einen Gefallen. Nehmt ihn an, oder lasst es bleiben. Mir ist es egal.« Und damit schloss sich sein Messerwundenmund.
Wednesday sah wütend aus, doch dann verwandelte sich die Wut in Reue, und er sagte: »Shadow, geben Sie dem Mann die Schlüssel von dem Winnebago.« Shadow reichte Whiskey Jack die Autoschlüssel.
»Johnny«, sagte Whiskey Jack, »kannst du diese Männer mitnehmen und Harry Bluejay aufsuchen? Sag ihm, ich möchte, dass er ihnen sein Auto gibt.«
»Ist mir ein Vergnügen«, sagte John Chapman.
Er stand auf und ging zur Tür, hob einen kleinen Beutel aus Sackleinen auf, der dort lag, öffnete die Tür und trat nach draußen. Shadow und Wednesday folgten ihm. Whiskey Jack blieb im Eingang stehen. »He«, sagte er zu Wednesday. »Du brauchst allerdings nicht wieder zu kommen. Du bist nicht willkommen.«
Wednesday streckte einen Finger himmelwärts. »Dreh dich doch auf dem hier«, sagte er freundlich.
Sie gingen durch den Schnee hügelabwärts und mussten sich dabei ihren Weg durch die Verwehungen bahnen. Chapman schritt voran, seine bloßen Füße leuchteten rot im verharschten Schnee. »Ist Ihnen nicht kalt?«, fragte Shadow.
»Meine Frau war eine Choctaw«, sagte Chapman.
»Und die hat Ihnen mystische Methoden beigebracht, wie man die Kälte von sich fern hält?«
»Nee. Sie fand, dass ich verrückt bin«, sagte Chapman. »Hat immer gesagt: ›Johnny, warum ziehst du dir die Stiefel nicht an?‹« Das Gefälle wurde stärker, weshalb sie gezwungen waren, die Unterhaltung einzustellen. Die drei Männer rutschten und stolperten durch den Schnee, hielten sich zwischendurch an Birkenstämmen fest, um sich neu auszurichten und dann den nächsten Baum anzusteuern. Als der Boden etwas ebener wurde, sagte Chapman: »Sie ist jetzt natürlich tot. Als sie gestorben ist, bin ich vielleicht tatsächlich ein bisschen verrückt geworden. Könnte jedem passieren. Kann auch Ihnen passieren.« Er klopfte Shadow auf den Arm. »Bei Jesus und Josaphat, Sie sind vielleicht groß.«
»Scheint so«, sagte Shadow.
Etwa eine halbe
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