Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
geführten Schnitt auf. Dampfende Eingeweide fielen in den Schnee. »Diesen Tod widme ich Odin«, sagte der Mann feierlich.
    »Es ist nur eine Geste«, sagte er, während er sich wieder Shadow zuwendete. »Aber Gesten sind von entscheidender Bedeutung. Der Tod eines Hundes symbolisiert den Tod aller Hunde. Neun Menschen gaben sie mir, aber sie standen für alle Menschen, für alles Blut, für alle Macht. Es war nur nicht genug. Eines Tages hörte das Blut auf zu fließen. Glaube ohne Blut trägt nicht weit. Das Blut muss fließen.«
    »Ich habe Sie sterben sehen«, sagte Shadow.
    »In der Gottesbranche«, sagte die Gestalt – und jetzt war Shadow sich sicher, dass es Wednesday war, niemand sonst hatte dieses Schnarren in der Stimme, diesen Heidenspaß an der zynischen Wendung – »ist es nicht der Tod, auf den es ankommt. Es ist die Gelegenheit zur Wiederauferstehung. Und wenn das Blut fließt …« Er deutete auf die Tiere, auf die Menschen, die an den Bäumen hingen.
    Shadow mochte nicht entscheiden, ob die toten Menschen, an denen sie vorbeigingen, größeren oder geringeren Schrecken verbreiteten als die Tiere: Wenigstens hatten die Menschen gewusst, welches Schicksal sie erwartete. Ein deutlicher Alkoholgeruch ging von ihnen aus, was vermuten ließ, dass es ihnen erlaubt war, sich für ihren Weg zum Galgen zu betäuben, während die Tiere einfach überrumpelt, lebendig und in nackter Todesangst aufgeknüpft worden waren. Die Gesichter der Männer wirkten ziemlich jung: Keiner war älter als zwanzig.
    »Wer bin ich?«, fragte Shadow.
    »Du?«, sagte der Mann. »Du warst eine Gelegenheit. Du warst Bestandteil einer ehrwürdigen Tradition. Obwohl wir beide genügend Hingabe besitzen, um für diese Sache zu sterben, hm?«
    »Wer bist du?«, fragte Shadow.
    »Das Schwerste ist das schlichte Überleben«, sagte der Mann. Das Feuer – und mit sonderbarem Entsetzen bemerkte Shadow, dass es ein Knochenfeuer war: Brustkörbe und feueräugige Schädel starrten, staken und ragten aus den Flammen heraus, spuckten Farbspurenelemente in die Nacht, grüne, gelbe und blaue – flackerte und prasselte und entfaltete große Hitze. »Drei Tage am Baum, drei Tage in der Unterwelt, drei Tage, um den Weg zurück zu finden.«
    Die zischenden Flammen strahlten zu hell für Shadows Augen. Er wandte den Blick ab und sah in die Dunkelheit unter den Bäumen.
     
    Ein Klopfen; Mondschein fiel jetzt durchs Fenster. Shadow schreckte hoch. »Das Abendessen ist serviert«, sagte Media draußen vor der Tür.
    Shadow zog sich die Schuhe wieder an, ging zur Tür und trat in den Flur hinaus. Jemand hatte wohl einige Kerzen aufgetrieben, weil der Empfang jetzt von einem trüben gelben Licht beleuchtet wurde. Der Fahrer des Militärgeländewagens kam mit einem Papptablett und einer Papiertüte herein. Er trug einen langen schwarzen Mantel und immer noch die Chauffeursschirmmütze.
    »Tut mir Leid wegen der Verzögerung«, sagte er heiser. »Ich habe für alle das Gleiche geholt: zwei Burger, große Portion Pommes, große Cola und eine Apfeltasche. Ich esse meine Sachen im Wagen.« Er stellte das Essen ab und ging wieder nach draußen. Der Geruch von Fastfood verbreitete sich. Shadow nahm die Papiertüte und teilte aus: das Essen, die Servietten und die Ketschupbeutelchen.
    Sie aßen schweigend zum Flackern der Kerzen und dem Zischen des brennenden Wachses.
    Shadow bemerkte, dass Town ihn grimmig anstarrte. Er drehte seinen Stuhl ein bisschen, sodass er mit dem Rücken zur Wand saß. Media hielt sich eine Serviette vor die Lippen, während sie ihren Burger kaute, um jeden sich selbständig machenden Krümel sofort abzufangen.
    »Oh. Toll. Die Burger sind ja fast kalt«, sagte der dicke Junge. Er hatte nach wie vor seine Sonnenbrille auf, was Shadow in Anbetracht der Lichtverhältnisse sinnlos und albern vorkam.
    »Ja, entschuldigt«, sagte Town. »Aber der nächste McDonald’s ist erst in Nebraska.«
    Sie verspeisten ihre lauwarmen Hamburger und die kalten Pommes. Der dicke Junge biss in seine Apfeltasche, worauf ihm die Füllung übers Kinn lief. Überraschenderweise war die Füllung noch heiß. »Aua«, sagte er. Er wischte sie mit der Hand weg und leckte sich anschließend die Finger ab. »An dem Zeug verbrennt man sich ja!«, sagte er. »Diese Apfeltaschen betteln geradezu nach einer Sammelklage.«
    Shadow verspürte nicht übel Lust, dem Jungen eine zu verpassen. Das hatte er schon tun wollen, seit er von dessen Gorillas nach Lauras Beerdigung

Weitere Kostenlose Bücher