Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
Hals.
    »Alles klar bei dir?«
    »Alles bestens«, sagte Shadow. »Ich hab nur grade die versteckten Indianer gesehen. Zwar nicht alle, aber gesehen habe ich sie.«
    »Dann waren’s wahrscheinlich Ho-Chunks. Diese Typen waren schon immer die größten Nieten, wenn’s ums Verstecken geht.« Er blickte hinauf zur Sonne. »Wird Zeit, zurückzukehren«, sagte er und stand auf.
    »Es ist ein Zwei-Mann-Beschiss«, sagte Shadow. »Es ist überhaupt kein Krieg, nicht wahr?«
    Whiskey Jack tätschelte Shadow am Arm. »Du bist gar nicht so blöd«, sagte er.
    Sie gingen zurück zur Hütte. Whiskey Jack machte die Tür auf. Shadow zögerte. »Ich wollte, ich könnte hier bei dir bleiben«, sagte er. »Das scheint ein gutes Plätzchen zu sein.«
    »Es gibt eine Menge guter Plätze«, sagte Whiskey Jack. »Das ist sozusagen der springende Punkt. Also, Götter sterben, sobald sie in Vergessenheit geraten. Menschen auch. Aber das Land ist immer da. Die guten Plätze und die schlechten. Das Land macht sich nicht aus dem Staub. Und ich auch nicht.«
    Shadow schloss die Tür. Etwas zog an ihm. Einmal mehr war er allein in der Dunkelheit, aber die Dunkelheit wurde immer heller und heller, bis sie wie die Sonne brannte.
    Und der Schmerz begann.
     
    Easter schritt über die Wiese, und wo sie den Fuß hingesetzt hatte, da sprossen die Frühlingsblumen.
    Sie kam an einer Stelle vorbei, wo vor langer Zeit einmal ein Farmhaus gestanden hatte. Noch heute standen dort ein paar Mauern, die aber wie verfaulte Zähne aus dem Unkraut und dem Gras hervorragten. Ein feiner Regen fiel. Die dunklen Wolken hingen tief, und es war kalt.
    Ein Stück jenseits der Farmhausruine war ein Baum, ein gewaltiger silbergrauer Baum, allem Anschein nach winterlich abgestorben, lautlos, und im Gras vor dem Baum lagen zerfranste, farblose Stofffetzen. Die Frau blieb bei dem Stoff stehen, bückte sich und hob etwas Bräunlichweißes auf: Es war ein vielfach angenagtes Knochenstück, das einmal Teil eines menschlichen Schädels gewesen sein mochte. Sie warf es zurück ins Gras.
    Dann betrachtete sie den Mann am Baum und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Nackt sind sie einfach nicht so interessant«, sagte sie. »Es ist das Auspacken, was den Großteil des Spaßes ausmacht. Wie bei Geschenken und Eiern.«
    Der falkenköpfige Mann, der neben ihr ging, blickte auf seinen Penis hinunter und schien sich zum ersten Mal seiner Nacktheit bewusst zu werden. »Ich kann in die Sonne gucken, ohne zu blinzeln«, sagte er.
    »Du bist ganz schön clever«, sagte Easter beipflichtend. »Nun, dann wollen wir ihn mal runterholen.«
    Die nassen Seile, die Shadow an den Baum banden, waren schon längst verwittert und vermodert, weshalb sie leicht auseinandergingen, als sie zu zweit daran zogen. Der Körper am Baum kam ins Rutschen und glitt hinunter auf die Wurzeln zu. Sie fingen ihn auf und hoben ihn hoch, trugen ihn mit Leichtigkeit, obwohl er sehr groß war, und legten ihn auf die graue Wiese.
    Der Körper auf dem Gras war kalt, kein Atem ging von ihm aus. Er hatte einen Fleck von getrocknetem schwarzem Blut in der Seite, als wäre er von einem Speer gestochen worden.
    »Was jetzt?«
    »Jetzt«, sagte sie, »wärmen wir ihn auf. Du weißt, was du zu tun hast.«
    »Ich weiß. Aber ich kann es nicht.«
    »Wenn du nicht bereit bist zu helfen, hättest du mich nicht herrufen sollen.«
    Sie streckte ihre weiße Hand aus und berührte damit Horus’ schwarzes Haar. Er sah sie aufmerksam blinzelnd an. Dann begann er wie in einem Hitzeschleier zu flimmern.
    Das ihr zugewandte Falkenauge glitzerte orange, als wäre soeben eine Flamme darin entfacht worden, eine Flamme, die lange erloschen gewesen war.
    Der Falke erhob sich in die Lüfte, schwang sich aufwärts, kreiste und stieg in weitem Bogen auf, umkreiste den Abschnitt der grauen Wolken, wo die Sonne sein mochte, und während der Falke aufstieg, wurde er zunächst zu einem Punkt, dann zu einem Pünktchen am Himmel und war schließlich mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen, nur mehr vorstellbar. Die Wolkendecke wurde dünner und begann aufzureißen, wodurch ein Stück blauer Himmel freigegeben wurde, durch das grelles Sonnenlicht drang. Der einzelne Sonnenstrahl, der die Wiese in Licht tauchte, war wunderschön, aber dieses Bild schwand, je mehr Wolken sich auflösten. Bald glühte die morgendliche Sonne auf die Wiese herunter, wie sie es üblicherweise im Sommer um die Mittagszeit tat, verbrannte den vom Morgenregen

Weitere Kostenlose Bücher