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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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mich nichts mehr. Ich bin also nach Norden gegangen. Hier oben kann man gut angeln.«
    »Das mit deinem Neffen tut mir leid.«
    »Mir auch. Jetzt lebe ich also hier im Norden. Weit weg von den Krankheiten des weißen Mannes. Den Straßen des weißen Mannes. Den Straßenschildern des weißen Mannes. Den gelben Sportwagen des weißen Mannes. Dem Karamell-Popcorn des weißen Mannes.«
    »Dem Bier des weißen Mannes?«
    Whiskey sah seine Dose an. »Wenn ihr irgendwann die Nase voll habt und nach Hause geht, dann könnt ihr uns die Budweiser-Brauereien hierlassen«, sagte er.
    »Wo sind wir?«, fragte Shadow. »Bin ich auf dem Baum? Bin ich tot? Bin ich hier? Ich dachte, alles wäre zu Ende. Was ist wirklich?«
    »Ja«, sagte Whiskey Jack.
    »›Ja‹? Was für eine Antwort soll das denn sein?«
    »Es ist eine gute Antwort. Eine wahre Antwort noch dazu.«
    »Bist du auch ein Gott?«, sagte Shadow.
    Whiskey Jack schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Kulturheros«, sagte er. »Wir machen denselben Scheiß, den die Götter auch machen, wir vermurksen nur mehr, und niemand betet uns an. Man erzählt Geschichten über uns, aber man erzählt eben auch die Geschichten, in denen wir echt schlecht aussehen, neben denen, wo wir einigermaßen gut wegkommen.«
    »Verstehe«, sagte Shadow. Und so war es, mehr oder weniger.
    »Pass auf«, sagte Whiskey Jack. »Das Land hier eignet sich nicht für Götter. Mein Volk hat das schon sehr früh begriffen. Es gibt Schöpfergeister, die die Erde gefunden oder gemacht oder ausgeschissen haben, aber wenn man es sich überlegt: Wer würde jemanden wie Kojote anbeten? Er hat mit Stachelschweinfrau geschlafen und hatte hinterher mehr Nadeln im Schwanz, als in ein Nähkissen reinpassen. Er hat sich mit Steinen gestritten, und die Steine haben gewonnen, also, ich bitte dich.
    Tja, mein Volk hat sich also ausgerechnet, dass vielleicht irgendwas hinter allem steht, ein Schöpfer, ein großer Geist, und dem sagen wir also Dank, weil es immer gut ist, sich zu bedanken. Aber wir haben nie Kirchen gebaut. Das brauchten wir nicht. Das Land war die Kirche. Das Land war die Religion. Das Land war älter und weiser als die Menschen, die auf ihm wandelten. Es gab uns Lachs und Mais, den Bison und die Wandertaube. Es gab uns wilden Reis und den Zander. Es gab uns die Melone, den Kürbis und den Truthahn. Und wir waren die Kinder des Landes, genau wie das Stachelschwein und das Stinktier und der Blauhäher.«
    Er trank sein zweites Bier aus und deutete auf den Fluss am unteren Ende des Wasserfalls. »Wenn du diesem Fluss ein Stückchen folgst, kommst du zu den Seen, wo der wilde Reis wächst. In der Reissaison fährst du mit einem Freund im Kanu raus und sammelst den Wildreis ein, du kochst ihn, lagerst ihn, und er nährt dich lange Zeit. In anderen Gegenden wächst andere Nahrung. Wenn du weit genug nach Süden gehst, hast du Orangenbäume, Zitronenbäume und diese weichen grünen Dinger, sehen aus wie Birnen …«
    »Avocados.«
    »Avocados«, sagte Whiskey Jack und nickte. »Genau. Die wachsen nicht in dieser Gegend. Hier ist Wildreisland. Elchland. Ich will damit nur sagen, was Amerika wirklich ist. Es ist kein guter Boden für Götter. Die wachsen hier einfach nicht. Die sind wie Avocados, die man in einer Wildreisgegend pflanzen will.«
    »Sie mögen nicht sehr gut wachsen«, sagte Shadow, dem jetzt die Erinnerung zurückkam, »aber sie ziehen in den Krieg.«
    Das war das einzige Mal, dass er Whiskey Jack je lachen sah. Es war fast ein Bellen, und es lag wenig Humor darin. »He, Shadow«, sagte Whiskey Jack. »Wenn alle deine Freunde von der Klippe runterspringen, würdest du dann auch springen?«
    »Vielleicht.« Shadow fühlte sich wohl. Er glaubte nicht, dass es nur am Bier lag. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zuletzt so lebendig gefühlt hatte, so aus einem Guss.
    »Es wird kein Krieg werden.«
    »Was dann?«
    Whiskey Jack zerdrückte die Bierdose zwischen den Händen, bis sie platt war. »Guck mal«, sagte er und zeigte nach unten. Die Sonne stand jetzt so hoch, dass sie den Sprühnebel des Wasserfalls erfasste: Ein Regenbogenkranz hing in der Luft. Shadow fand, dass es das Schönste war, was er je gesehen hatte.
    »Es wird ein Blutbad«, sagte Whiskey Jack kategorisch.
    Da begriff Shadow. Er sah die ganze in ihrer Schlichtheit nackte Wahrheit. Er schüttelte den Kopf, dann fing er an zu kichern, schüttelte den Kopf noch ein paarmal, und aus dem Kichern wurde ein Lachen aus vollem

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