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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Weg über. Er war überaus froh, dass er ihr begegnet war. Es war, als wäre man einem alten Freund begegnet, einem wirklich guten alten Freund, den man vorher halt nur nicht gekannt hatte. Sie unterhielten sich über Geschichte und Filme und Musik, und sie erwies sich als die einzige Person, die einzige andere Person, der er je über den Weg gelaufen war, die einen ausländischen Film aus den Sechzigern namens Die Handschrift von Saragossa kannte (Mr. Town war sich sicher, dass es ein spanischer Film war, wohingegen Laura mit der gleichen Bestimmtheit behauptete, er sei polnisch), einen Film, von dem er langsam geglaubt hatte, er existiere nur in seiner Einbildung.
    Als Laura ihn auf das erste BESUCHEN-SIE-ROCK-CITY-Schild hinwies, kicherte er und gestand, dass eben dies sein Ziel sei. Sie sagte, das sei ja cool. Sie habe schon immer mal eine solche Sehenswürdigkeit besuchen wollen, sei aber nie dazu gekommen und habe es hinterher immer bedauert. Das sei auch der Grund, warum sie jetzt unterwegs sei. Sie sei auf Abenteuerfahrt.
    Sie arbeite in einem Reisebüro, erzählte sie. Lebe getrennt von ihrem Mann. Sie gestand ihm, sie glaube nicht, dass sie und ihr Mann je wieder zusammenfinden würden, und es sei allein ihre Schuld.
    »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    Sie seufzte. »Es ist aber wahr, Mack. Ich bin einfach nicht mehr die Frau, die er mal geheiratet hat.«
    Nun ja, erwiderte er, die Menschen veränderten sich nun mal, und ehe er sich’s versah, war er dabei, ihr alles anzuvertrauen, was es aus seinem Leben zu berichten gab, er erzählte ihr sogar von Woody und Stone, wie sie drei immer die drei Musketiere gewesen seien, und als man dann die anderen beiden ermordet habe, nun, man könnte ja vielleicht meinen, dass sich einer, der schon so lange im Regierungsdienst stehe, gegen solche Vorfälle verhärten würde, aber nein, das schaffe man einfach nicht.
    Sie streckte die Hand aus – sie war so kalt, dass er sofort die Heizung höher drehte – und drückte fest und innig seine Rechte.
    Zu Mittag aßen sie, während sich ein Gewitter über Knoxville senkte, bei einem miserablen Japaner, aber Town kümmerte es nicht, dass das Essen mit Verzögerung kam, dass die Misosuppe kalt und das Sushi warm war.
    Er genoss in vollen Zügen die Tatsache, dass sie mit ihm unterwegs war, auf Abenteuerfahrt sozusagen.
    »Tja«, vertraute Laura ihm an, »mich hat einfach die Vorstellung erschreckt, dass man alt und abgestanden wird. Da, wo ich war, bin ich richtig vergammelt. Also hab ich mich aufgemacht, ohne Auto, ohne Kreditkarten. Ich verlasse mich ganz und gar auf die Hilfsbereitschaft von Fremden.«
    »Haben Sie denn keine Angst?«, fragte er. »Das heißt, Sie könnten doch irgendwo stranden, Sie könnten ausgeraubt werden, könnten verhungern.«
    Sie schüttelte den Kopf. Dann sagte sie, mit zögerlichem Lächeln: »Ich bin ja Ihnen begegnet, oder etwa nicht?«, worauf ihm keine Erwiderung einfiel.
    Nachdem die Mahlzeit beendet war, rannten sie, wobei sie sich zum Schutz japanischsprachige Zeitungen über den Kopf hielten, durch das Gewitter zu seinem Auto, und dabei lachten sie, lachten wie Schulkinder im Regen.
    »Wie weit kann ich dich mitnehmen?«, fragte er sie, als sie wieder im Trockenen saßen.
    »Ich komme so weit mit, wie du fährst, Mack«, antwortete sie schüchtern.
    Wie froh er war, dass er sich den Big-Mack-Spruch verkniffen hatte. Diese Frau, das spürte Mr. Town mit ganzem Herzen, war keine Nummer für eine Nacht. Es mochte ihn fünfzig Jahre gekostet haben, sie zu finden, aber jetzt war es schließlich doch vollbracht, das hier war die Richtige, diese wilde, zauberische Frau mit dem langen dunklen Haar.
    Das hier war Liebe.
    »Hör mal«, sagte er, als sie sich Chattanooga näherten. Die Scheibenwischer wälzten den Regen über die Windschutzscheibe und ließen das Grau der Stadt verschwimmen. »Wie wär’s, wenn wir heute Abend ein Motelzimmer für dich suchen? Ich bezahle natürlich. Und sobald ich meine Lieferung erledigt habe, können wir … Na ja, wir könnten zum Beispiel ein heißes Bad nehmen … um dich ein bisschen aufzuwärmen.«
    »Das klingt großartig«, sagte Laura. »Was hast du denn abzuliefern?«
    »Den Stock«, sagte er und kicherte. »Der auf dem Rücksitz liegt.«
    »Okay«, sagte sie rücksichtsvoll. »Dann verrat es mir halt nicht, Mister Geheimniskrämer.«
    Er erklärte ihr, dass es das Beste sei, wenn sie im Wagen auf dem Parkplatz von Rock City auf ihn wartete,

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