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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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auf ihn ein, er würde sich hier zu Tode frieren, also los jetzt, Mann, ziehen, und Shadow wand und wälzte sich wie ein an Land gehendes Robbenmännchen und schüttelte sich hustend und prustend.
    Er atmete in tiefen Zügen, streckte sich längelang auf dem knackenden Eis aus, das auch nicht mehr lange halten würde, wie er wohl wusste, was ihm aber rein gar nichts nützte. Seine Gedanken entwickelten sich nur langsam, mit sirupartiger Zähigkeit.
    »Lassen Sie mich einfach liegen«, versuchte er zu sagen. »Ich komm zurecht.« Er brachte die Worte nur undeutlich heraus, alles kam zum Stillstand.
    Er musste sich nur ein bisschen ausruhen, das war alles, einfach ausruhen, dann würde er gleich wieder aufstehen und zurückgehen. Dass er hier nicht ewig liegen bleiben konnte, war klar.
    Es gab einen Ruck; Wasser spritzte ihm ins Gesicht. Sein Kopf wurde gehoben. Shadow fühlte, wie er, auf dem Rücken rutschend, übers Eis geschleift wurde, und wollte protestieren, wollte erklären, dass er doch nur eine winzig kleine Ruhepause brauche – irgendwie ein bisschen Schlaf, war das etwa zu viel verlangt? –, und dann wäre alles in Ordnung. Wenn man ihn einfach nur in Ruhe lassen könnte.
    Er glaubte eigentlich nicht, dass er eingeschlafen war, aber er stand jetzt auf einer riesigen Ebene, und da war ein Mann mit dem Kopf und den Schultern eines Bisons und eine Frau mit dem Kopf eines gewaltigen Kondors, und zwischen ihnen stand Whiskey Jack, sah ihn traurig an und schüttelte den Kopf.
    Whiskey Jack drehte sich um und entfernte sich langsam von Shadow. Der Büffelmann schloss sich ihm an. Auch die Donnervogelfrau ging weg, zog dann den Kopf ein, trat sich mit den Füßen ab und glitt hinauf in die Lüfte.
    Shadow hatte ein Gefühl des Verlusts. Er wollte ihnen nachrufen, wollte sie bitten zurückzukommen, ihn nicht abzuschreiben, aber jetzt löste sich alles auf, wurde gestaltlos: Sie waren verschwunden, die Prärie verblasste, und zurück blieb eine große Leere.
     
    Der Schmerz war durchdringend: Es war, als würde jede einzelne Zelle in seinem Körper, jeder kleine Nerv, schmelzen und aufwachen und unmissverständlich auf seine Gegenwart hinweisen, indem er ihn brennend piesackte.
    Eine Hand lag an seinem Hinterkopf, hatte ihn an den Haaren gepackt, während eine andere Hand ihm das Kinn stützte. Er schlug die Augen in der Erwartung auf, sich in irgendeinem Krankenhaus wiederzufinden.
    Seine Füße waren nackt. Er hatte Jeans an. Von der Hüfte aufwärts war er ebenfalls nackt. Dampf hing in der Luft. An der Wand gegenüber sah er einen Rasierspiegel, ein kleines Waschbecken und eine blaue Zahnbürste in einem mit Zahnpasta verschmierten Becher.
    Die Informationsfluss wurde nur äußerst langsam verarbeitet, alle Daten einzeln und nacheinander.
    Die Finger brannten. Die Zehen brannten.
    Er begann vor Schmerz zu wimmern.
    »Ruhig, Mike. Ganz ruhig«, sagte eine Stimme, die er kannte.
    »Was?«, sagte er oder versuchte es jedenfalls. »Was ist los?« Es klang angestrengt und seltsam.
    Er lag in einer Badewanne. Das Wasser war heiß. Er glaubte, dass es heiß war, aber sicher konnte er sich da nicht sein. Jedenfalls reichte es ihm bis zum Hals.
    »Jemanden, der am Erfrieren ist, vor ein Feuer zu legen, ist das Dümmste, was man machen kann. Das Zweitdümmste ist, ihn in Decken zu wickeln – vor allem, wenn er in nassen, kalten Sachen steckt. Decken isolieren, die Kälte würde also in seinem Körper bleiben. Das Drittdümmste – und das ist meine ganz persönliche Meinung – wäre, ihm das Blut zu entnehmen, es aufzuwärmen und wieder einzuflößen. So machen es die Ärzte heutzutage. Kompliziert, teuer. Dumm.« Die Stimme kam von oberhalb seines Kopfes.
    »Das Klügste und Schnellste, was man tun kann, ist das, was die Seeleute seit Hunderten von Jahren mit jemandem machen, der über Bord gegangen ist. Man legt den Betreffenden in heißes Wasser. Nicht zu heiß. Aber eben heiß. Nur damit Sie’s wissen, Sie waren so gut wie tot, als ich Sie da draußen auf dem Eis gefunden hab. Wie fühlen Sie sich inzwischen, Houdini?«
    »Es tut weh«, sagte Shadow. »Mir tut alles weh. Sie haben mir das Leben gerettet.«
    »Das mag wohl sein, so wie´s aussieht. Können Sie den Kopf jetzt selber hoch halten?«
    »Vielleicht.«
    »Ich lasse Sie jetzt los. Wenn Sie anfangen unterzugehen, zieh ich Sie wieder hoch.«
    Die Hände lösten sich von seinem Kopf.
    Er merkte, wie er in der Wanne nach vorn glitt. Er streckte die Hände

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