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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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den Affen her. Denkt also alle dran: Auch wenn man klein ist, heißt das noch lange nicht, dass man keine Macht hätte.«
    Mr. Nancy lächelte, neigte den Kopf und breitete die Arme aus, um Beifall und Gelächter wie ein Profi entgegenzunehmen, dann drehte er sich um und ging dorthin zurück, wo Shadow und Tschernibog standen.
    »Ich dachte, ich hätte gesagt, keine Geschichten«, sagte Wednesday.
    »Nennst du das eine Geschichte?«, meinte Nancy. »Ich hab mich kaum zu Ende geräuspert. Hab sie nur ein bisschen für dich angespitzt. Geh jetzt raus und mach sie fertig.«
    Wednesday trat in den Schein des Feuers, ein stattlicher alter glasäugiger Mann, in braunem Anzug und einem alten Armani-Mantel. Er stand da und richtete den Blick auf die Leute auf den Holzbänken, und er schwieg länger, als ein Redner nach Shadows Gefühl schweigen durfte, ohne Unbehagen hervorzurufen. Aber dann fing er schließlich doch an zu sprechen.
    »Ihr kennt mich«, sagte er. »Ihr alle kennt mich. Einige von euch haben zwar nicht gerade Grund, mich zu lieben, aber Liebe hin oder her, ihr kennt mich.«
    Ein Rascheln, eine gewisse Unruhe erhob sich unter den Leuten auf den Bänken.
    »Ich bin länger hier als die meisten von euch. Genau wie ihr habe ich geglaubt, dass wir mit dem, was wir hier haben, über die Runden kommen würden. Nicht genug, um damit glücklich zu werden, aber ausreichend, um irgendwie weiterzumachen.
    Damit könnte es jetzt zu Ende sein. Ein Sturm zieht auf, und es ist ein Sturm, den nicht wir angefacht haben.«
    Er hielt inne, trat ein paar Schritte vor und verschränkte die Arme über der Brust.
    »Als die Menschen nach Amerika kamen, führten sie uns mit sich. Mich haben sie mitgebracht und Loki und Thor, Anansi und den Löwengott, Leprechauns und Cluracan und Banshees, Kubera und Frau Holle und Ashtaroth, und auch euch haben sie mitgebracht. In ihren Seelen und Gedanken sind wir mitgefahren und haben hier Wurzeln geschlagen. Wir sind mit den Siedlern zusammen in die neue Welt jenseits des Meeres gezogen.
    Das Land ist riesig. Schon bald haben unsere Völker uns fallen lassen, sie gedachten unserer nur noch als Geschöpfe ihrer alten Welt, als Dinge, die mit ihrem neuen Leben nichts zu tun hatten. Unsere wahren Gläubigen starben oder fielen vom Glauben ab, und wir standen da, furchtsam, verlassen und enteignet, mussten uns mit dem bisschen Anbetung oder Glauben zufrieden geben, das wir noch kriegen konnten, um, so gut es ging, über die Runden zu kommen.
    Das haben wir also getan, wir sind über die Runden gekommen, ganz an den Rändern des Geschehens, wo uns niemand so genau beobachtet hat.
    Wir haben, gestehen wir es uns ruhig ein, wenig Einfluss. Wir stellen ihnen nach und plündern sie aus, kommen aber nur so eben zurecht; wir entblößen uns und wir huren und trinken zu viel; wir pumpen Benzin, wir stehlen und schummeln, wir existieren in den Spalten am Rande der Gesellschaft. Alte Götter, hier in diesem neuen, götterlosen Land.«
    Wednesday machte eine Pause. Er blickte seine Zuhörer an, einen nach dem anderen, ernst und staatsmännisch. Sie starrten ausdruckslos zurück, die Gesichter maskenhaft und undurchschaubar. Wednesday räusperte sich und spuckte heftig ins Feuer. Die Flamme zischte und flackerte auf und erleuchtete das Halleninnere.
    »Heute aber wachsen, wie ihr sicherlich alle schon Gelegenheit hattet festzustellen, neue Götter in Amerika heran und klammern sich an expandierende Bestände des Glaubens: Götter der Kreditkarten und Autobahnen, des Internets und des Telefons, des Radios, der Krankenhäuser und des Fernsehens, Plastikgötter, Mobilfunkgötter, Neongötter. Stolz sind sie, fette und närrische Geschöpfe, die sich mit ihrer Neuheit und ihrer Wichtigkeit spreizen.
    Sie wissen um uns, sie fürchten und hassen uns«, sagte Odin. »Ihr haltet euch selbst zum Narren, wenn ihr das nicht erkennt. Sie werden uns vernichten, wenn sie können. Es ist Zeit, dass wir uns zusammenschließen. Es ist Zeit, dass wir etwas unternehmen.«
    Die alte Frau im roten Sari trat in den Feuerschein. Auf ihrer Stirn befand sich ein kleiner dunkelblauer Edelstein. »Und für diesen Unsinn hast du uns zusammengerufen?«, sagte sie. Dann schnaubte sie, und in diesem Schnauben mischten sich Belustigung und Ärger.
    Wednesday zog die Augenbrauen zusammen. »Ich habe euch zusammengerufen, ja. Aber hier geht es um Sinn, Mama-ji, nicht um Unsinn. Selbst ein Kind kann das erkennen.«
    »Dann bin ich also ein Kind,

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