American Gods
ordentlich Geld verdient«, sagt Salim.
Der Fahrer seufzt. »Nicht mal. Heute Morgen habe ich einen Mann von der 51st Street zum Flughafen Newark gefahren. Als wir da waren, ist er einfach in die Halle gerannt, und ich konnte ihn nicht wiederfinden. Fünfzig Dollar Fahrpreis sind futsch, und auf dem Rückweg musste ich auch noch die Maut selbst bezahlen.«
Salim nickt. »Ich musste heute den ganzen Tag darauf warten, von einem Mann empfangen zu werden, der mich nicht empfangen will. Mein Schwager hasst mich. Ich bin seit einer Woche in Amerika, aber der Aufenthalt hat nichts gebracht, im Gegenteil, er frisst nur Geld. Ich bringe einfach nichts an den Mann.«
»Was verkaufen Sie denn?«
»Scheiße«, sagt Salim. »Wertlosen Tand und Flitter und Schmuckstücke für Touristen. Fürchterlicher, billiger, alberner und hässlicher Scheiß.«
Der Fahrer reißt das Steuer nach rechts, kurvt um etwas herum und fährt weiter. Salim fragt sich, wie der Fahrer bei all dem Regen, der Dunkelheit und der dicken Sonnenbrille überhaupt sehen kann, wohin er fährt.
»Sie versuchen Scheiß zu verkaufen?«
»Ja«, sagt Salim, einerseits begeistert, andererseits aber auch erschrocken darüber, dass er die Wahrheit über die Muster seines Schwagers ausgesprochen hat.
»Und man will es Ihnen nicht abkaufen?«
»So ist es.«
»Seltsam. Wenn man sich die Geschäfte hier anguckt, ist das doch alles, was verkauft wird.«
Salim lächelt bedrückt.
Ein Lastwagen blockiert die Straße vor ihnen. Ein rotgesichtiger Cop steht davor, winkt und schreit und dirigiert sie in die nächste Querstraße hinein.
»Wir fahren rüber zur Eighth Avenue, da kommen wir auch nach Uptown«, sagt der Taxifahrer. Sie biegen in die Straße, und es stellt sich heraus, dass der Verkehr dort vollständig zum Erliegen gekommen ist. Eine Kakophonie der Autohupen erklingt, aber es geht trotzdem nicht voran.
Der Fahrer schwankt auf seinem Sitz. Das Kinn rutscht ihm langsam auf die Brust herab, einmal, zweimal, dreimal. Dann fängt er leise zu schnarchen an. Salim streckt die Hand aus, um den Mann zu wecken, obwohl er sich nicht ganz sicher ist, ob das auch angebracht ist. Als er ihn an der Schulter schüttelt, bewegt sich der Fahrer, Salims Hand streift am Kopf des Mannes entlang und schlägt ihm die Brille vom Gesicht, sodass sie ihm hinunter in den Schoß fällt.
Der Taxifahrer öffnet die Augen, greift nach der schwarzen Plastiksonnenbrille und setzt sie sich wieder auf, aber es ist schon zu spät. Salim hat seine Augen gesehen.
Das Auto kriecht im Regen vorwärts. Die Zahlen auf dem Taxameter werden größer.
»Wirst du mich jetzt töten?«, fragt Salim.
Der Taxifahrer hat die Lippen fest zusammengepresst. Salim beobachtet das Gesicht des Mannes im Rückspiegel.
»Nein«, sagt der Fahrer ganz ruhig.
Wieder wird der Wagen angehalten. Der Regen prasselt aufs Dach.
Salim hebt an zu sprechen: »Meine Großmutter hat Stein und Bein geschworen, dass sie einmal spätabends am Rand der Wüste einen Ifrit, oder vielleicht auch einen Marid, gesehen hat. Wir haben ihr gegenüber beteuert, dass das nur ein Sandsturm war, ein bisschen Wind, aber sie sagte, nein, sie hätte sein Gesicht gesehen und seine Augen, die gleich hellen Flammen gewesen seien, genau wie deine.«
Der Fahrer lächelt, aber seine Augen sind hinter der schwarzen Plastikbrille verborgen, und Salim kann nicht erkennen, ob in seinem Lächeln Humor liegt oder nicht. »Die Großmütter sind auch hier rübergekommen«, sagt er.
»Gibt es viele Dschinn in New York?«, fragt Salim.
»Nein. Es gibt nicht viele von uns.«
»Es gibt die Engel, und es gibt die Menschen, die Allah aus Lehm geschaffen hat, und dann gibt es noch die Wesen des Feuers, die Dschinn«, sagt Salim.
»Die Leute hier wissen nichts von meinem Volk«, sagt der Fahrer. »Sie glauben, dass wir Wünsche erfüllen. Glaubst du, ich würde Taxi fahren, wenn ich Wünsche erfüllen könnte?«
»Ich verstehe nicht.«
Der Fahrer wirkt bedrückt. Salim starrt das Gesicht des Mannes im Spiegel an, während dieser spricht, und beobachtet die dunklen Lippen des Ifrits.
»Sie glauben also, dass wir Wünsche erfüllen. Wie kommen die bloß darauf? Ich schlafe in einem kleinen, stinkigen Zimmer in Brooklyn. Ich fahre dieses Taxi für jeden stinkenden Verrückten, der dafür bezahlen kann, und manchmal auch für solche, die es nicht können. Ich fahr sie dahin, wo sie hin müssen, und manchmal bekomme ich dafür ein Trinkgeld. Manchmal
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