American Psycho
zieht das Buch zu Rate, nimmt einen Anruf entgegen, hängt nach wenigen Sekunden ein, mustert uns dann ohne übertriebenes Mißfallen. Der Maître d’ ist mindestens vierzig und hat einen Pferdeschwanz. Ich räuspere mich zweimal, um mir seine volle Aufmerksamkeit zu sichern, versuche eine Art halbherzigen Augenkontakt.
»Ja?« fragt er wie unangenehm belästigt.
Ich vermittle ihm einen gediegenen Eindruck, ehe ich innerlich aufseufze. »Ich habe einen Tisch für neun bestellt …« würge ich. »Für zwei.«
»Jaaa?« fragt er mißtrauisch und dehnt das Wort. »Name?« sagt er, wendet sich dann an einen vorbeikommenden Kellner, achtzehn und modelhaft gutaussehend, der gefragt hat: »Wo isses Eis?« Er starrt ihn an, bis der Kellner zu Boden schaut, und schreit: »Nicht … jetzt. Okay? Wie oft muß man dir das sagen?« Der Kellner zuckt ergeben die Achseln, und der Maître d’ zeigt mit dem Finger auf die Bar: » Es Eis is da drüben!« Er wendet sich wieder an uns, und ich bin zutiefst verängstigt.
»Name«, kommandiert er.
Und ich denke: von allen Scheiß-Namen, warum der? »Ehm Schrawtz« – oh Gott – »Mr. und Mrs. Schrawtz.« Ich bin sicher, mein Gesicht ist aschfahl, und ich leiere tonlos den Namen, aber der Maître d’ ist zu beschäftigt, um es mir nicht abzukaufen, und ich mache mir nicht mal die Mühe, Jean anzusehen, die mein Auftritt sicher völlig verstört hat, während wir zum Tisch der Schrawtzes geführt werden, der wahrscheinlich unter aller Sau ist, obwohl ich trotzdem erleichtert bin.
Auf dem Tisch liegen schon Speisekarten, aber ich bin so nervös, daß mir die Worte und selbst die Preise wie Hieroglyphen erscheinen, und ich bin völlig hilflos. Ein Kellner nimmt unsere Getränkebestellung auf – derselbe, der das Eis nicht finden konnte –, und ich ertappe mich dabei, daß ich, ohne auf Jean zu hören, Dinge wie »Der Schutz der Ozonschicht ist wirklich eine Jahrhundertaufgabe« sage und Häschenwitze erzähle. Ich lächle, das Lächeln klebt auf meinem Gesicht in einem fernen Land, und es dauert nicht lange – nur Minuten tatsächlich, dem Kellner bleibt nicht mal die Zeit, uns die Tagesgerichte zu empfehlen –, ehe ich das hochgewachsene, gutaussehende Paar bemerke, das am Empfang mit dem Maître d’ konferiert, und nach einem tiefen Seufzer, benebelt, mit schwankender Stimme, bemerke ich zu Jean: »Jetzt wird’s bitter.«
Sie schaut von der Karte auf und stellt den eislosen Drink ab, an dem sie genippt hat. »Warum? Was ist los?«
Der Maître d’ fixiert uns, mich, drohend über den Raum hinweg, während er das Paar an unseren Tisch führt. Wäre das Paar kurz und pummelig gewesen und übertrieben jüdisch, hätte ich diesen Tisch verteidigen können, selbst ohne den Einsatz einen Fünfzigers, aber dieses Paar sieht aus wie einer Ralph-Lauren-Anzeige entsprungen, und obwohl Jean und ich genauso aussehen (und mit uns das ganze gottverdammte Restaurant), trägt der Mann einen Smoking und das Mädchen – total fickbare Braut – ist mit Juwelen behängt. Das ist die Wirklichkeit, und, wie mein verhaßter Bruder Sean sagen würde, damit muß man leben können. Der Maître d’ steht jetzt am Tisch, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, wenig amüsiert, und fragt nach einer langen Pause, »Mr. und Mrs. … Schrawtz? «
»Ja?« Ich gebe mich gelassen.
Er fixiert mich nur. Begleitet von abnormem Schweigen. Sein Pferdeschwanz, grau und ölig, hängt über seinen Kragen wie eine bösartige Wucherung.
»Wissen Sie«, sage ich einigermaßen weltmännisch, »ich kenne zufällig den Chefkoch.«
Er starrt mich weiter an. Zweifellos auch das Paar hinter ihm.
Nach einer langen Pause frage ich ohne bestimmten Grund: »Ist er … in Aspen?«
Das führt zu nichts. Ich seufze und drehe mich zu Jean um, der alles ein einziges Rätsel ist. »Gehen wir, okay?« Sie nickt stumpf. Gedemütigt nehme ich Jeans Hand, und wir stehen auf – sie langsamer als ich –, drängen uns am Maître d’ und dem Paar vorbei, bahnen uns einen Weg durch das überfüllte Restaurant, und dann sind wir draußen, und ich bin völlig am Boden zerstört und stammele mechanisch vor mich hin: »Ich hätte es wissen müssen, ich hätte es wissen müssen, ich hätte«, aber Jean hüpft lachend die Straße hinunter, zieht mich hinter sich her, und als mir ihr unerwarteter Frohsinn schließlich auffällt, stößt sie unter Kichern hervor: »Das war so lustig«, drückt meine zur Faust geballte Hand und
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