American Psycho
als ich die Platte abstelle, erhasche ich einen Blick auf mein Spiegelbild in der Tischplatte. Im Kerzenlicht wirkt meine Haut dunkler, und ich stelle fest, wie gut doch der Haarschnitt aussieht, den sie mir letzten Mittwoch bei Gio’s gemacht haben. Ich mache mir noch einen Drink. Ich bin besorgt über den Kochsalzgehalt der Sojasoße.
Zu viert sitzen wir am Tisch und warten darauf, daß Evelyn und Timothy von der Suche nach einer Kleiderbürste für Price zurückkehren. Ich sitze am Kopf des Tisches und nehme große Schlucke J&B. Vanden sitzt am anderen Ende, blättert desinteressiert in irgendeinem East-Village-Blättchen namens Deception, die knallige Headline lautet: DOWNTOWN STIRBT. Stash hat ein Eßstäbchen in ein einsames Stückchen Yellowtail gesteckt, das mitten auf seinem Teller liegt wie ein schimmerndes aufgespießtes Insekt, und das Stäbchen steckt aufrecht fest. Hin und wieder schiebt Stash das Sushihäppchen mit dem Stäbchen auf dem Teller herum, aber er blickt weder zu mir noch zu Vanden oder Courtney auf, die neben mir sitzt und Pflaumenwein aus einem Champagnerglas nippt.
Evelyn und Timothy kommen ungefähr zwanzig Minuten, nachdem wir Platz genommen haben, zurück, und Evelyn ist nur leicht errötet. Tim starrt mich an, während er mit einem frischen Drink in der Hand neben mir Platz nimmt, und beugt sich zu mir, um etwas zu sagen, ein Geständnis loszuwerden, als Evelyn plötzlich unterbricht: »Nicht dort, Timothy«, dann, kaum ein Flüstern: »Junge Mädchen, junge Mädchen.« Sie zeigt auf den leeren Stuhl neben Vanden. Timothy richtet seinen stechenden Blick auf Evelyn und nimmt dann zögernd neben Vanden Platz, die gähnt und eine Seite ihres Magazins umblättert.
»Also, Leute«, sagt Evelyn lächelnd, zufrieden mit dem von ihr bereiteten Mahl, »haut rein.« Dann, als sie das von Stash aufgespießte Stückchen Sushi bemerkt – er hat sich jetzt über den Teller gebeugt und flüstert ihm zu –, scheint sie ihre Fassung zu verlieren, lächelt aber tapfer und flötet: »Wer möchte Pflaumenwein?«
Niemand sagt etwas, bis Courtney, die auf Stashs Teller starrt, unsicher ihr Glas hebt und mit gequältem Lächeln sagt: »Es ist … köstlich, Evelyn.«
Stash schweigt. Auch wenn er sich unbehaglich fühlen mag, weil er so ganz anders aussieht als die anderen Männer im Raum – sein Haar ist nicht zurückgekämmt, keine Hosenträger, keine Hornbrille, die Kleidung schwarz und formlos, kein Verlangen nach einer guten Zigarre, vermutlich unfähig, sich einen Tisch im Camols zu sichern, sein Nettoeinkommen lachhaft –, ist sein Betragen doch äußerst unangemessen, er sitzt einfach da, wie hypnotisiert durch das glänzende Stückchen Sushi, und gerade als die Tischrunde sich damit abgefunden hat, ihn einfach zu ignorieren und mit dem Essen zu beginnen, richtet er sich auf, deutet anklagend auf seinen Teller und sagt laut: »Es hat sich bewegt!«
Timothys Blick ist so unermeßlich abschätzig, daß ich kaum mithalten kann, aber ich gebe mir redlich Mühe, es ihm gleichzutun. Vanden scheint amüsiert und Courtney nun bedauerlicherweise auch – ich muß fast annehmen, daß sie den Affen attraktiv findet –, aber ich schätze, als Luis Carruthers’ Freundin würde es mir auch so gehen. Evelyn lacht gutmütig und sagt: »Oh, Stash, du bist vielleicht eine Nummer«, und fragt dann besorgt: »Tempura?« Evelyn ist leitende Angestellte in einer Finanzierungsgesellschaft, FYI.
»Ich, bitte«, sage ich und hebe ein Stück Aubergine von der Platte, das ich aber nicht essen werde, weil es in Fett gebraten ist.
Am Tisch beginnt man zuzugreifen, Stash erfolgreich ignorierend. Ich starre Courtney an, sie kaut und schluckt.
Nach einem langen, fast nachdenklich wirkenden Schweigen sagt Evelyn in dem Versuch, ein Gespräch in Gang zu bringen: »Vanden studiert in Camden.«
»Ach, tatsächlich?« fragt Timothy eisig. »Wo ist das?«
»Vermont«, antwortet Vanden, ohne von ihrer Zeitung aufzusehen.
Ich blicke hinüber zu Stash, um zu sehen, ob ihn Vandens unverfroren kaltschnäuzige Lüge freut, aber er benimmt sich, als höre er gar nicht zu, als sei er in einem anderen Raum oder irgendeinem Punkrock -Club im dunkelsten Viertel der Stadt, aber es ärgert mich, daß die übrigen am Tisch es genauso halten, denn ich bin ziemlich sicher, wir alle wissen, daß Camden in New Hampshire liegt.
»Wo bist du gewesen?« seufzt Vanden, nachdem ihr endlich klargeworden ist, daß sich niemand für Camden
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