Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)
Gray auszudrücken, »langfristige Bündnisse mit der lokalen herrschenden Klasse, die Art von Bündnissen, durch die Imperien Jahrhunderte überleben konnten, selten möglich«.
Die Politik Amerikas versäumt es immer wieder zu bedenken, dass alle Teile eines Imperiums der permanenten Pflege und Aufmerksamkeit bedürfen. Darüber hinaus wollen viele amerikanische Politiker nicht sehen, dass ihr Imperium im 21. Jahrhundert funktionieren muss, einem Jahrhundert mit neuen Problemen – Klimawandel, Finanzmärkte, Rüstungswettlauf –, die allein mit Hilfe internationaler Abkommen und Kooperationen gelöst werden können. Ihr Weltbild ist im Kern noch dem 19. Jahrhundert verhaftet, ihr Held ist und bleibt ein Teddy Roosevelt, wenn auch in überzogener und entstellter Form.
Theodore Roosevelt war ein unbezähmbarer Kraftmensch, der nur einen Platz kannte: das Zentrum der Aufmerksamkeit. Oder wie seine Tochter Alice einmal sagte: »Er will die Braut bei jeder Hochzeit sein, die Leiche bei jeder Beerdigung und das Baby bei jeder Taufe.« Darin lag die Stärke seiner Präsidentschaft, aber es wurde auch sein Untergang. Wütend darüber, dass ihm die Nominierung der Republikaner für eine dritte Amtszeit durch verschiedene Manipulationen vorenthalten worden war, ging er 1912 als unabhängiger Kandidat ins Rennen. Den offiziellen republikanischen Kandidaten, William Taft, ließ er mit Leichtigkeit hinter sich, aber gegen die demokratische Einheitsfront kam er nicht an. Woodrow Wilson wurde Präsident. Die Republikanische Partei verlor durch diese Spaltung einen wichtigen Teil ihres progressiven Flügels. Das war der Beginn der konservativen Republikanischen Partei, wie wir sie heute kennen.
Und immer noch kannte Roosevelts Kühnheit keine Grenzen. Als Amerika 1917 nach Europa zog, um endlich in den Ersten Weltkrieg einzugreifen – so empfanden das jedenfalls viele Amerikaner –, da bat Roosevelt Präsident Wilson darum, wie im Kubakrieg erneut ein eigenes Regiment anführen zu dürfen. Er war damals fast sechzig Jahre alt. Seine Bitte wurde ihm verwehrt. Wohl aber schickte er seine beiden Söhne nach Frankreich, wo der jüngere bei einem Luftkampf ums Leben kam.
Der Tod seines Lieblingssohns war ein schwerer Schlag, den der Rough Rider , der Krieg und Kampf so oft verherrlicht und romantisiert hatte, kaum verarbeiten konnte. »Was diesen Verlust für ihn so vernichtend machte«, schreibt sein Biograph Edmund Morris, »war die Wahrheit, die er offenlegte: dass nämlich der Tod im Kampf nicht ehrenvoller ist als der Tod in einem Schlachthaus.«
Teddy Roosevelt starb weniger als ein Jahr später, am 6. Januar 1919.
3
Beach, der Ort, in dem Steinbeck schließlich übernachtete, besteht aus einer Kreuzung und einer Handvoll Häuser. Das Westgate Motel gibt es immer noch, mit hübschen Holzveranden, » clean rooms, low prices «. Man könnte problemlos eine Tafel daran befestigen: »Hier schlief John Steinbeck am 12. Oktober 1960.« Er telefonierte lange mit Elaine, und wahrscheinlich entstand bei dieser Gelegenheit auch der Titel Die Reise mit Charley .
Elaine berichtete später in einem Interview von diesem Telefonat, in dem sie über die Briefe sprachen, die er ihr von unterwegs geschickt hatte und die er als Grundlage für sein Buch verwenden wollte. Sie habe darauf erwidert, dass sie dies an das Buch Reise mit einem Esel durch die Cevennen von Robert Louis Stevenson erinnere. Sie hatte diesen 1879 erschienenen Reisebericht über Zentralfrankreich sogar in ihrem Bücherschrank stehen. »Das ist es!«, habe Steinbeck gerufen. »Was?« »Mein Titel! Du hast mich gerade auf den Titel für das Buch gebracht: Die Reise mit Charley .«
Wir fahren auf der Interstate 94. Die alte Straße, die Steinbeck benutzt hat, ist zum Teil in der neuen Interstate aufgegangen, streckenweise verläuft sie aber auch parallel dazu, zwei verschlafene Streifen, die bis zum Horizont reichen. Es herrscht praktisch kein Verkehr. Das Land ist hügelig, das Gras ist trocken-braun mit ein paar grauen Pollen; und so geht es weiter, Meile um Meile. Aus dem Radio krächzt Countrymusik, wir erfahren die Marktpreise für Getreide, Mais und Vieh, und danach folgt ein christlicher Wissenschaftler, der uns erzählt, Nietzsche sei ein Sünder gewesen und die westliche Welt gehe ihrem Ende entgegen.
Am späten Vormittag liegen die Badlands auf einmal hinter uns, und im Panorama der Windschutzscheibe erstreckt sich Montana mit all seinem Liebreiz. Ein Fluss
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