Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)
nach begann sich das amerikanische Idiom vom britischen zu unterscheiden, in Ton, Rhythmus und vor allem im Wortschatz. Wörter wie buck , dough , small , change , flat broke , deadbeat und blizzard entstanden alle nach 1800. Die Aussprache veränderte sich: pretty wurde zu »priddy«, butter zu »budder«; Ausdrücke verschwanden und neue traten an ihre Stelle: Trousers wurden zu pants , biscuits hießen nun cookies , holidays nannte man vacation , shops wurden zu stores , anstelle von to walk away sagte man to make tracks und so weiter. Immer wieder beklagten sich britische Reisende, die Amerikaner könnten nicht einen anständigen Satz formulieren. Keinen Moment kam ihnen der Gedanke, dass zu dieser neuen Welt auch eine neue Sprache gehörte, eine Sprache, die zu den dortigen Bedürfnissen und Umständen ebenso passte wie zu dieser neuen Gesellschaft.
Kurz nach der Revolution begann Webster damit, spellers zusammenzustellen, ein Nachschlagewerk zur Rechtschreibung. Die waren damals noch rein englischsprachig. Im Jahr 1828 publizierte er das erste Wörterbuch des amerikanischen Englisch: The American Dictionary of the English Language – der Beginn der klassischen Webster-Wörterbücher, aber auch ein bedeutendes historisches Dokument. Zum ersten Mal wurde das Amerikanische als separate Sprache behandelt. Eine Sprache des Raums und der Offenheit für Neuankömmlinge: Der höfliche und zugleich direkte Ton unterschied sich auf vielerlei Weise von der englischen Indirektheit. Zudem ist das Amerikanische die Sprache einer vollkommen egalitären Gesellschaft: Jeder ist eine Lady oder ein Gentleman, ein Akzent verrät lediglich etwas darüber, woher jemand kommt, nicht aber über Rang und Stand. Der britische Schriftsteller Charles William Janson notierte, nachdem er einmal irrtümlich ein Dienstmädchen mit »servant« angesprochen hatte, deren Reaktion: »Sie müssen wissen, mein Herr, dass ich kein sarvant bin«, erwiderte sie schnippisch. »Nur Neger sind sarvants.« Sie sei, sagte sie feierlich, eine »help«.
Besucher aus Europa, die einen Blick auf die neue Welt jenseits des Ozeans werfen wollten, hielten Amerika häufig für einen Ort der puren Regression, des kulturellen Verfalls im Vergleich zum zivilisierten Europa des 19. Jahrhunderts. Die britische Schriftstellerin Frances Trollope veröffentlichte 1832, nach einem gescheiterten geschäftlichen Abenteuer in den Vereinigten Staaten, das Buch Leben und Sitte in Nordamerika (dt. 1835), ein höhnischer Reisebericht über den amerikanischen Lebensstil. Alles handelte sie darin ab: von der vermaledeiten Standesgleichheit über das Spucken von Kautabak bis hin zur Sklaverei. Auch in den Augen von Charles Dickens waren die Amerikaner vor allem spuckende, saufende und fluchende Rüpel. Andere, wie etwa Rudyard Kipling, bewunderten gerade die Ungeschliffenheit der Amerikaner. Kipling sah darin eine Form von Kraft, einen Gegensatz zum verlebten und dekadenten Europa.
Fast alle Besucher prangerten die Doppelmoral der Amerikaner an, die stolz ihre Gleichheitsprinzipien präsentierten, deren Ökonomie in den Südstaaten aber zum größten Teil auf Sklavenarbeit basierte. Der spätere niederländische Staatsmann Gijsbert Karel van Hogendorp, der 1783 für ein halbes Jahr in den Staaten weilte, wies schon Thomas Jefferson auf den Widerspruch zwischen der Sklaverei und seinem Liberalismus hin. Noch 1815 wurde das Land weitgehend von Sklavenhaltern regiert: Präsident James Madison hatte Sklaven, der Sprecher des Abgeordnetenhauses, der Außenminister, der Finanzminister, die meisten Mitglieder des Kongresses und des Obersten Gerichtshofs, die wichtigsten Botschafter – alle waren Sklavenhalter.
Auch freie Schwarze wurden nicht als gleichwertig betrachtet. Um 1830 notierte der französische Reisende Michel Chevallier, dass die Amerikaner, sowohl im Norden als auch im Süden, ob arm oder reich, »Kontakt mit den Schwarzen mieden, als hätten sie die Pest«. Hotels waren den Farbigen verwehrt, in Theatern und auf Dampfschiffen hatten sie ihren eigenen Bereich, die Geschäftswelt war ihnen verschlossen, der Zugang zu Börsen und Banken wurde ihnen nicht gestattet.
In Europa war die Sklaverei zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo offiziell abgeschafft – die Niederlande beendeten die Sklaverei in ihren Kolonien, unter großem internationalen Druck, erst im Jahr 1863. In der Praxis aber kam Leibeigenschaft auf dem europäischen Kontinent so gut wie nicht mehr vor.
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