Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)
wollten auch reich werden.
Der Süden war ein Kapitel für sich. Das »nationale« amerikanische Ideal von Mut, harter Arbeit und unternehmerischer Initiative hatte lediglich im Norden richtig Fuß gefasst. Viele im Süden standen ihm skeptisch gegenüber: Hart arbeiten war das Los von Sklaven, die Südstaatler idealisierten das elegante Leben der spanischen und französischen Aristokratie des 18. Jahrhunderts, während sich die Menschen im Norden gierig auf die Zukunft stürzten. Im Süden gab es bedeutend weniger Schulen, Straßen, Unternehmen, Banken, Ärzte, Lehrer und Ingenieure; die Steuern waren dort niedriger, die Qualität des Unterrichts schlechter, und der öffentliche Sektor war deutlich weniger gut ausgebaut.
Darüber hinaus vertraten die Südstaatler eine andere Auffassung hinsichtlich der Rechte der einzelnen Staaten, der sogenannten States’ Rights, und der Position der föderalen Regierung. Ihrer Meinung nach waren die Vereinigten Staaten ein freiwilliger Staatenbund, und wenn die Zentralregierung ihre – beschränkten – Befugnisse überschritt, hatte jeder Staat das Recht, ein solches Gesetz für nichtig zu erklären. Eines dieser States’ Rights war nach Ansicht des Südens der Schutz des Eigentums der Sklavenhalter, ganz gleich, wohin entflohene Sklaven flüchteten. Der Norden vertrat im Gegenteil die Auffassung, dass das Gesetz, auf dessen Grundlage entflohene Sklaven von überall aus den Vereinigten Staaten von ihren Herrn zurückgeschafft werden konnten, ihren States’ Rights widersprach. Die Nordstaatler waren zudem Befürworter einer stärkeren föderalen Regierung.
Diese Gegensätze bildeten zusammengenommen die Basis für den Konflikt, der im Jahr 1861 schließlich zum Bürgerkrieg führte. Die Konföderation der elf südlichen »Sklavenstaaten« versuchte sich in diesen Jahren von der Union aus den zwanzig »freien« nördlichen Staaten (zuzüglich der fünf »Grenzstaaten«, in denen es auch noch Sklaven gab) zu lösen. Die Union stand für eine Ausweitung der demokratischen Rechte und Freiheiten, die die Amerikanische Revolution gebracht hatte. 1863 wurde die Sklaverei offiziell abgeschafft. Die Konföderation wollte bestimmte Elemente der alten europäischen Ständegesellschaft beibehalten. Was dies bedeutete, drückt der Historiker und Spezialist für den Bürgerkrieg Gary Gallagher so aus: »Die aristokratischen Sklavenhalter, die die Konföderation gründeten, stellten nicht nur eine Bedrohung für den letztendlichen Erfolg der Republik dar, sondern auch für die Zukunft der Demokratie im Allgemeinen.«
Es wurde ein Kampf auf Leben und Tod, ein Vorbote des industriellen Gemetzels in Europa während des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Auf Seiten des Südens schlossen sich etwa drei Viertel der verfügbaren Männer dem Kampf an, auf Seiten des Nordens etwa zwei Drittel. Mehr als eine Million Soldaten fielen oder wurden verwundet. Da in geschlossener Linie gekämpft wurde, verloren manche Regimenter innerhalb eines einzigen Tages drei Viertel ihrer Mannschaften. Während der drei Tage dauernden Schlacht bei Gettysburg gab es mehr amerikanische Opfer als in den über zehn Jahre währenden Kriegen im Irak und in Afghanistan. Die sozialen Verwerfungen waren gigantisch. Ein Drittel der Südstaatensoldaten überlebte den Bürgerkrieg nicht, dreimal mehr als auf Seiten der Union.
Am 10. Mai wurde der Südstaatenpräsident Jefferson Davis gefangen genommen, das war » the night they drove old Dixie down «, wie Robbie Robertson von The Band das Drama ein Jahrhundert später auf unnachahmliche Weise besingen sollte:
» In the winter of ’65
We were hungry, just barley alive
By May the 10th Richmond had fell
It’s a time I remember, oh so well …«
Mit der Macht und dem Reichtum des Südens war es nach dieser Nacht – » and all the bells were ringing « – endgültig aus und vorbei. Es dauerte mehr als ein Jahrhundert, bis diese blutige Wunde einigermaßen verheilt war. Bis auf den heutigen Tag kann man bestimmte kulturelle und politische Konflikte innerhalb der amerikanischen Gesellschaft auf die Prinzipien zurückführen, um die es damals bereits ging: die Autonomie von Staat und Individuum, die Reichweite der föderalen Regierung, das Recht, Steuern zu erheben, und nicht zuletzt das Gleichheitsgebot.
Das übrige Amerika ging in gewisser Weise gestärkt aus dem Konklikt hervor. Die Truppen der Union waren unter den Flaggen der unterschiedlichen Staaten in den Krieg
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