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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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Amerikanische Revolution war zugleich ein Bürgerkrieg auf amerikanischem Boden – eine Tatsache, die von der traditionellen Geschichtsschreibung lange negiert wurde. Mindestens 19 000 sogenannte »Loyalisten« zogen am Ende mit den Briten in den Kampf gegen ihre amerikanischen Landsleute. Und auch die Ureinwohner waren uneins, die Mohawks zum Bespiel schlugen sich auf die Seite der Briten. Die drei am dünnsten bevölkerten »kanadischen« Kolonien im Norden, Neuschottland, Neufundland und Québec, blieben der britischen Krone ebenfalls treu. Sie hatten keine Wahl, sie waren zu stark vom Handel mit dem und der Protektion durch das Empire abhängig.
    Es entstand ein Flüchtlingsstrom von Amerika nach Kanada. Knapp 40 000 amerikanische Kolonisten wanderten während der Revolution in den südlichsten Teil Kanadas, gleich jenseits der amerikanischen Grenze, aus. Manche neuen Städtchen wurden, um diesen loyalistischen Neuankömmlingen einen Gefallen zu tun, als makellose Kopie von good old England errichtet, allen voran die Provinzhauptstadt London. Darüber hinaus machten mehr als 20 000 schwarze Sklaven von der Gelegenheit Gebrauch und flohen – darunter auch zwei Dutzend Sklaven des aufgeklärten Thomas Jefferson.
    So entwickelten sich die Vereinigten Staaten und die europäische Kolonie Kanada langsam auseinander.
    Der vergessene Krieg von 1812 war eine Fortsetzung dieses Trennungsprozesses. Der Grund für den Krieg lag darin, dass England ehemalige Untertanen, die nach Amerika ausgewandert waren – wie zum Beispiel die zahllosen Iren, die in die Vereinigten Staaten gekommen waren – nicht als amerikanische Bürger anerkennen wollte. Die Briten und die britischen Kolonisten in Kanada betrachteten sich als treue Untertanen des englischen Königs und der – vorzugsweise anglikanischen – Kirche. Sie präferierten die alte Ständegesellschaft, die von Gott auferlegte Ordnung. Demokratische Grundrechte waren in ihren Augen ein Quell republikanischer Verderbnis. Sie blockierten daher jede Neuerung: Wahlen, freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit, sogar die Postverbindungen wurden eingeschränkt.
    Die Amerikaner hingegen machten aus jedem Immigranten, ob Deutscher, Ire, Franzose, Brite oder Niederländer, so schnell wie möglich einen Amerikaner. Und dieser Amerikaner war aus freiem Willen ein Bürger einer neuen Nation, mit einer eigenen Politik, Kultur und Mentalität. »Dort trifft man in jeder Straße Geschäftigkeit, Erneuerung, Lebendigkeit«, notierte ein missmutiger Kanadier kurz nach der Unabhängigkeit, als er über den Niagara River auf die Vereinigten Staaten schaute. »Hier ist es Schläfrigkeit, Niedergang und Apathie, die jede Initiative ersticken und jedes Streben unterdrücken.«
    Dennoch blieb Kanada für einige amerikanische Minderheiten attraktiv, vor allem für die demütigen Quäker und die deutschen Pietisten, die sich unter dem Schutz eines väterlichen Fürsten wohler fühlten als in einem demokratischen Mehrheitssystem mit ausgeprägter Regulierungssucht. In Kanada gab es keine Sklaverei, und auch die Indianer hatten mehr Freiheit.
    Die Amerikaner betrachteten die Indianer als Untertanen und oft sogar als brutale Wilde, die eigentlich verschwinden müssten; für die Briten waren sie autonome Völker, die ihr eigenes Territorium bewohnten. Das war der Beginn der besonderen kanadischen Minderheitenpolitik, in der die individuellen Rechte mit dem Schutz der Rechte von Minderheiten kombiniert werden. Deshalb kämpften auch Tausende von Indianern in diesem Krieg auf Seiten der Briten.
    Heroisch war der Krieg von 1812 übrigens nicht, trotz aller hohen Ideale. Die Feindseligkeiten arteten schon bald in wechselseitige Mord- und Plünderaktionen diesseits und jenseits der Grenze aus. Die amerikanischen Milizen, die die demokratischen und egalitären Parolen geradezu absorbiert hatten, taten sich schwer mit der sonst üblichen militärischen Disziplin. Der Winter war nass und kalt – »Wir essen, trinken und schlafen im Wasser«, notierte ein Tagebuchschreiber –, und die Moral nahm mit jedem Monat weiter ab. Regelmäßig verschwendeten amerikanische Soldaten Munition, indem sie aus Langweile in die Gegend schossen. Ihre Kommandanten agierten planlos: General William Hull kapitulierte mit seiner gesamten Armee bei Detroit, ohne auch nur einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben; Oberbefehlshaber Stephen Van Rensselaer fand den ganzen Krieg eigentlich unsinnig und fuhr mit einer weißen Fahne ans

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