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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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gesunken.
    Als sie auf ihrer Rundreise im Jahr 1831 an den Ohio kamen, fielen ihnen vor allem die Unterschiede zwischen der gut unterhaltenen Landschaft im »freien« Ohio auf der einen Seite des Flusses und dem verwahrlosten Land im Sklavenstaat Kentucky am anderen Ufer auf. Die Kluft zwischen dem puritanischen, hart arbeitenden und auf die Zukunft ausgerichteten Norden – der immer mehr die »nationale« amerikanische Kultur bestimmte – und dem gemächlichen, Sklaven haltenden und nostalgischen Süden wurde im Laufe der Jahre immer größer. Mit dem betagten John Quincy Adams, der bis 1829 Präsident der Vereinigten Staaten war, sprachen die beiden Reisenden bereits über die Gefahr, dass die Gegensätze in einen bewaffneten Konflikt münden könnten, was dann dreißig Jahre später auch tatsächlich geschah.
    Die beiden Freunde waren auch immer wieder darüber erstaunt, mit welcher Leidenschaft die öffentliche Debatte geführt wurde. Es gab noch nicht wirklich Parteien; die Republikanische Partei, wie wir sie heute kennen, ist erst 1854 entstanden, aus Protest gegen die großen Zugeständnisse, die im Kansas-Nebraska-Act den südlichen Sklavenhaltern gemacht wurden. Die Demokraten hießen damals Demokratische Republikaner und waren eine populistische Absplitterung von der Republikanischen Partei Thomas Jeffersons. Die ganze Politik, schrieb Tocqueville, sei auf Personen reduziert – auf »diejenigen, die Macht haben, und diejenigen, die Macht haben wollen, die Herrscher und die Außenstehenden«.
    Derselbe Eigensinn zeigte sich auch in Fragen der Religion. Es kam zur sogenannten Second Great Awakening : Millionen von Amerikanern lösten sich von den Konfessionen aus der Alten Welt. Sie legten immer mehr Nachdruck auf Emotionalität und Spiritualität, suchten neue Sicherheiten in allerlei Sekten – wie den Shakern – und vermengten das traditionelle Christentum mit anderen Traditionen und Volksweisheiten. Aus dieser Volksbewegung entstand eine Reihe von typisch amerikanischen Glaubensrichtungen mit einer ganz und gar eigensinnigen Theologie, bei der der amerikanische Exzeptionalismus oft eine wichtige Rolle spielte. Sie bildeten die Basis für das spätere Mormonentum und andere Strömungen.
    Vor der Revolution bestand Amerika, wie Gordon Wood es ausdrückt, vor allem aus »einer Ansammlung verschiedenartiger britischer Kolonien […], aufgereiht auf einem schmalen Streifen entlang der Atlantikküste«. Nach dem Krieg von 1812 waren die europäischen Außenposten zu einer einzigen großen Republik mit mehr als zehn Millionen Einwohnern angewachsen, mit einem Territorium, das beinahe die Hälfte des Kontinents umfasste, und einer Bevölkerung, die sich alle zwanzig Jahre verdoppelte – zweimal so schnell wie in Europa. Innerhalb von zehn Jahren entwickelte sich ein junger Staat wie Ohio von einer Wildnis zu einem Gebiet mit einer höheren Bevölkerungsdichte als die meisten ursprünglichen Kolonien. Binnen einer Generation besiedelten die Amerikaner mehr Land als in den hundertzwanzig kolonialen Jahren davor – allerdings auf Kosten von Hunderttausenden von Indianern.
    Um 1815 hatte sich die Sichtweise der Amerikaner auf die Welt und auf sich selbst fundamental geändert. Und diese Veränderung vollzog sich vor der Industrialisierung, der Verstädterung und all den anderen Entwicklungen, die gemeinhin mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden. Die Amerikaner betrachteten Veränderung immer mehr als eine Qualität an sich, als etwas, das wertgeschätzt und bis in alle Ewigkeit fortgesetzt werden musste. In Europa legte man eher Wert auf den Status quo, und die Unterschiede zu Amerika wurden nach dem Sturz Napoleons im Jahr 1814 und der darauf folgenden »Restauration« der alten aristokratischen und konservativen Regime noch größer. Europa, vor allem Frankreich, war in keiner Hinsicht mehr ein Quell der Inspiration.
    Amerika »lacht über die Eseleien« Europas und »vermeidet seine Fehler«, schrieb der Friedensrichter und Schulmeister Noah Webster kurz nach der Unabhängigkeit. »Es sieht Tausend unterschiedliche Meinungen in größter Harmonie zusammenleben […] Das wird Amerika schließlich zu den höchsten Gipfeln von Größe und Ruhm führen, neben denen die Glorie des alten Griechenland und des alten Rom nichtig erscheinen und die Pracht der modernen Reiche verblassen wird.«
    Noah Webster sah, wie sich das neue Land formte, auch in der Sprache. Nach und

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