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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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Sozialausgaben gab es Kürzungen, gewiss, aber die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit stiegen jedes Jahr weiter ins Unermessliche. Dazu addierten sich dann noch die Milliardenhilfen, die in der Krise im Jahr 2008 an die Wirtschaft gezahlt wurden.
    Eine Einkommensumverteilung von den Spitzenverdienern zur Mittelschicht fand nicht statt. Im Gegenteil: Zwischen 1980 und 2001 landeten mehr als 80 Prozent der Steigerung des Nationaleinkommens bei den Superreichen, die 1 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Diese Gruppe verdiente im Jahr 1960 10 Prozent des nationalen Einkommens, heute sind es 25 Prozent.
    Das Missverhältnis zwischen Arm und Reich führte im Sommer 2011 zu einem bemerkenswerten Leserbrief von Warren Buffett in der New York Times . Der zweitreichste Mann der Welt reagierte auf die Bitte der amerikanischen Politik, in der Wirtschaftskrise »gemeinsame Opfer« zu bringen. Doch er wurde verschont, und das fand er seltsam. Als er seine superreichen Freunde fragte, wie das bei ihnen sei, stellte er fest, dass sie ebenfalls nichts von irgendeiner Steuererhöhung bemerkt hatten.
    Nachdem Buffett auch seine Mitarbeiter befragt hatte, war er zu seinem Erstaunen zu dem Ergebnis gekommen, dass er, der superreiche Boss, in seinem Büro derjenige war, der mit Abstand den niedrigsten Steuersatz hatte. So kam er zu der Ansicht, es müsse endlich einmal ernst gemacht werden mit den »gemeinsamen Opfern«: »Milliardäre wie ich müssen mehr Steuern zahlen.«
    Wenn es um die ungleiche Verteilung von Einkommen und Wohlstand geht, erinnern die amerikanischen Statistiken an die einer südamerikanischen Bananenrepublik. »Man muss sich vorstellen, dass ein gigantischer Staubsauger über die amerikanische Wirtschaft gleitet, der permanent Dollars vom Boden zur Oberschicht saugt«, schreibt der Politologe Andrew Hacker. Er schätzt, dass den unteren 60 Prozent der amerikanischen Haushalte seit 1985 insgesamt etwa 4 Billionen Dollar entgangen sind, von denen der größte Teil bei dem 1 Prozent Spitzenverdiener gelandet ist. Das Vermögen der 400 reichsten Amerikaner ist derzeit größer als das der ärmsten 150 Millionen Amerikaner zusammen.
    Das hat enorme Folgen. Vor noch nicht allzu langer Zeit konnten auch Familien der unteren Mittelschicht genug Geld zurücklegen, um ihre Kinder aufs College zu schicken. Diese Puffer gibt es nicht mehr, was dazu führt, dass Millionen von Studenten später jahrelang die gesalzenen Kredite abbezahlen müssen, mit denen sie ihr Studium finanziert haben. Die Frage ist, ob sie das können oder wollen. Die Kinder aus der Oberschicht kennen dieses Problem nicht, ihnen steht im Prinzip jede Ausbildung offen.
    Laut dem UNICEF -Bericht The Children Left Behind von 2010 stehen von allen vierundzwanzig entwickelten OECD -Ländern die Vereinigten Staaten in Bezug auf Chancengleichheit für jedes Kind, ungeachtet seiner sozialen Herkunft, an letzter Stelle. Hinzu kommt, dass einer von dreißig Amerikanern entweder im Gefängnis sitzt beziehungsweise zu einer später anzutretenden Haftstrafe oder zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt ist. Mit solchen Verhältnissen gerät man, jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht, durchaus in die Nähe einer Ständegesellschaft des 18. Jahrhunderts, von der sich die amerikanischen Revolutionäre mühsam befreit hatten.
    » Ill fares the land, to hastening ills a prey,
    where wealth accumulates, and men decay.«
    »Wehe dem Land, wo Hast das Sein regiert,
    wo Reichtum wächst, doch wo der Mensch verliert.«
    So lautete das Motto des Schwanengesangs von Tony Judt, dem großen anglo-amerikanischen Historiker. Kurz vor seinem Tod im Jahr 2010 schrieb er Dem Land geht es schlecht , eine einzige Warnung vor der schnell wachsenden Ungleichheit, vor der fortschreitenden Aushöhlung des Gleichheitsideals der Amerikanischen Revolution. So wie dieses Prinzip in der Vergangenheit die Dynamik der amerikanischen Gesellschaft stetig vorangetrieben habe, so lasse die zunehmende Ungleichheit sie immer mehr erstarren.
    Tony Judt verglich in einer Reihe von Graphiken Länder mit großen Einkommensunterschieden – die Vereinigten Staaten und, dort weniger stark ausgeprägt, Großbritannien – mit Ländern, die relativ geringe Einkommensunterschiede aufweisen – wie Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland und Kanada.
    Welche Chancen eine Gesellschaft bietet, lässt sich an einer Graphik ablesen, die die sogenannte Mobilität der verschiedenen

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