Amerikanische Reise
oder zuwenig Sahne haben. Andererseits ist ihm klar, daß Jan die Sache auch unangenehm
sein könnte, weil er mit allem im Grunde nichts zu tun hat. Er hat es selbst gesagt: Er ist gekommen, um Pyramiden zu bestaunen
und nicht Probleme zu besprechen. Aber irgendwie ist Walter der Meinung, daß Jan durch die Woche, die er mit Kristin unterwegs
war, das Recht verspielt hat, unbeteiligt zu sein.
»Es ist beschissen gelaufen«, sagt er schließlich ungehalten. Kristin sieht auf. Ihr Blick, findet Jan, ist erstaunlich kühl.
Sie ist nicht begierig, alles zu erfahren, sondern sie will informiert werden. »Was haben sie gesagt?«
»Sie haben mir ein Ultimatum gestellt«, sagt Walter und legt sein Besteck zur Seite. »Sie erklären sich bereit, |141| den entstandenen Verlust eine Woche lang zu decken. Länger nicht.« Er trinkt seinen Wein aus und füllt das Glas wieder.
Kristin dreht ein Knäuel Spaghetti in ihrem Löffel. »Und dann? Ich meine, was erwarten sie denn?« Sie hebt die Gabel an, und
ein paar widerspenstige Nudeln pendeln über dem Teller.
Walter fährt mit der Rechten durch die Luft. »Was werden sie schon erwarten? Ich soll die Zweihunderttausend beschaffen. Auf
sauberem Weg, versteht sich.« Er nimmt Löffel und Gabel auf, legt sie aber sofort wieder zur Seite. »Zweihunderttausend in
einer Woche! Ich habe gefragt, wie sie sich das vorstellen.«
Die Nudeln über Kristins Teller sind ausgependelt. Offensichtlich findet sie es jetzt doch unpassend, weiterzuessen. Jan überlegt,
ob er auch aufhören soll, aber er ist hungrig. »Und der Kredit?« fragt Kristin.
Walter steht auf, geht zum Couchtisch und nimmt seine Zigaretten. »Sie denken nicht daran, mir das Geld zu leihen. Ich müßte
zu irgendwelchen Haien rennen! Sie wollen mich demütigen.« Er zündet sich eine an.
Jan kommt sich jetzt lächerlich vor, weiter Spaghetti zu drehen, und läßt das Besteck auf den Teller sinken.
»Sie haben mich behandelt wie einen Idioten«, schimpft Walter. »Wenn ich die Zweihunderttausend beschaffe, haben sie gesagt,
dann wollen sie mich gnädigerweise nur entlassen und nicht anzeigen.«
»Und wenn nicht?« fragt Jan. Wenn es schon nicht mehr möglich ist zu essen, will er wenigstens nicht nur herumsitzen.
Walter kommt mit einem Aschenbecher zurück zum Tisch und setzt sich wieder. »Wenn nicht, zeigen sie mich wegen Unterschlagung
an.«
|142| »Was ist mit ihrer Angst vor Publicity?« Kristin rückt etwas vom Tisch ab. Jan nimmt an, daß es ihr nichts ausmacht, nichts
zu essen, so dünn wie sie ist.
»Unterschlagungen kommen überall vor«, sagt Walter. »Sie werden nicht dazu sagen, wie es genau gelaufen ist.« Er greift wieder
zu seinem Glas. »Damit ist für sie die Angelegenheit beendet.«
Walters Wut verwandelt sich für einen Moment in Resignation, und Jan hat jetzt Mitleid mit seinem Freund, der, zumindest was
die Vorwürfe seitens der Bank angeht, ja unschuldig ist. »Hast du ihnen denn nicht gesagt, daß Neil letztlich verantwortlich
ist?« fragt er.
»Es hat sie nicht interessiert«, sagt Walter. »Im Moment nicht. Ich vermute, daß sie ihn am Ende ebenfalls rauswerfen werden.
Ich nehme an, sie haben mir, was Neil betrifft, geglaubt, aber es ist alles über meinen Account gelaufen, und damit ist die
Sache für sie entschieden.« Walter richtet sich wieder auf, und seine Wut kehrt zurück. Er nimmt sein Weinglas und steht auf.
»Wie konnte Neil nur so idiotisch sein und diese Aktien fast zwei Wochen lang unbeobachtet lassen. Er kauft hoch instabile
Ware und kümmert sich einfach nicht darum. Wahrscheinlich hat er die ganze Sache über die Vögelei mit seiner neuen Pussi einfach
vergessen.«
Kristin, die sich kurzzeitig in irgendwelche Überlegungen eingesponnen hat, sieht jetzt auf. »Neil hat eine Geliebte?«
Walter schweigt. Ihm ist klar, daß er einen Fehler gemacht hat, und auch Jan ist nicht erfreut über diese Wendung: Von Neils
Geliebter ist der Weg nicht weit zu Walters Vergewaltigung. Und dann, befürchtet Jan, gerät das Gespräch in einen Sog, dem
auch er nicht entgeht.
»Man redet so was«, sagt Walter.
|143| »Ach.« Kristin gießt sich Wein nach.
»Vielleicht ist nichts dran«, sagt Walter.
»Es ist immer etwas dran«, sagt Kristin.
Walter versucht, das Gespräch von dem Thema wegzubringen. »Es ist doch egal«, sagt er. »Jedenfalls hat er sich verhalten wie
ein Anfänger, hat eine Spekulation begonnen und dann den Überblick
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