Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
die Freisprecheinrichtung des Telefons beide Seiten eines jeden Gesprächs mithören.
»Was auch passiert, Sie müssen versuchen, beim Wagen zu bleiben. Lassen Sie sich nicht weglocken, es sei denn, Sie haben absolut keine andere Wahl. Schauen Sie nicht zu mir runter. Reden Sie nicht mit mir. Vielleicht werden Sie beobachtet. Wenn ich Sie etwas frage und die Antwort ist Ja, klopfen Sie einmal ans Steuer. Bei Nein klopfen Sie zwei Mal. Haben Sie mich verstanden? «
Sie nickt.
Und ein weiteres Mal schärfe ich ihr die wichtigste Botschaft ein. »Was verlangen Sie?«
»Ich will Mickey sehen .«
»Wann übergeben Sie das Lösegeld?«
»Wenn ich Mickey habe .«
»Genau. Die wollen, dass Sie ihnen blind folgen, aber Sie müssen auf einer Bestätigung beharren, dass Mickey noch lebt. Fragen Sie immer wieder nach Beweisen …«
»Sie werden sagen, dass die Haare und der Bikini Beweis genug sind.«
»Und Sie antworten, das beweist gar nichts. Sie wollen Sicherheit. «
»Und wenn sie verlangen, dass ich das Lösegeld irgendwo abwerfe? «
»Tun Sie es nicht. Verlangen Sie einen direkten Austausch – Mickey gegen die Diamanten.«
»Und wenn sie nicht darauf eingehen?«
»Dann gibt es keinen Deal.«
Um 23.37 klingelt das Telefon wieder. Der Anrufer ist männlich, aber ein digitaler Verzerrer verändert den Klang seiner Stimme und komprimiert ihre Frequenz. Er weist Rachel an, zu einem Kreisverkehr auf der A40 zu fahren, Hanger Lane. Sie hält das Handy mit beiden Händen fest und nickt, statt zu antworten. Sie zögert keinen Moment. Sie nimmt die Pizzaschachtel und geht zur Tür.
Alexej folgt ihr, plötzlich besorgt. Ich weiß nicht, ob er ihr Glück wünschen oder an ihre Stelle treten will. Vielleicht macht er sich auch nur Sorgen um seine Diamanten. Ein Stück die Straße runter öffnet er eine Wagentür, und ich sehe den Russen hinter dem Steuer sitzen.
Ich liege auf dem Boden von Rachels Wagen, die Schultern unter das Armaturenbrett geklemmt, die Beine vor dem Rücksitz zusammengeschoben. Ich kann Rachels Gesicht nur von der Seite sehen. Sie blickt stur geradeaus, beide Hände am Steuer, als würde sie ihre Fahrprüfung ablegen.
Der Anrufer hat aufgelegt.
»Entspannen Sie sich. Wir könnten Musik machen.«
Sie klopft einmal mit dem Finger ans Steuer.
Ich klappe die Plastikbox mit ihrer CD-Sammlung auf. »Ich bin ziemlich genügsam – alles außer Neil Diamond und Barry Manilow. Einer meiner Theorien zufolge gehen neunzig Prozent aller Todesfälle in Pflegeheimen auf Kosten von Neil Diamond oder Barry Manilow.«
Sie lächelt.
An meiner Jackentasche klemmt ein Funkgerät, und in einem Halfter unter meinem linken Arm steckt eine Glock 17 Selbstladepistole. In meinem rechten Ohr steckt ein Kopfhörer, und
das Funkgerät ist auf dieselbe Frequenz eingestellt wie ein Handgerät in Alexejs Wagen.
Außerdem gibt es eine dunkle Decke, die ich an Ampeln über mich ziehen kann, wenn ein Wagen neben uns hält.
»Denken Sie daran, mich nicht anzugucken. Wenn Sie irgendwo parken müssen, möglichst nicht in der Nähe von Laternen. Suchen Sie eine dunkle Stelle.«
Sie klopft einmal ans Lenkrad.
Das Handy klingelt wieder. Sie greift nach unten und drückt auf den Sprechknopf.
Im Hintergrund weint ein Mädchen. Die immer noch stark verzerrte Männerstimme herrscht es an, still zu sein. Rachel zuckt zusammen.
»Sie haben die Polizei angerufen, Mrs. Carlyle.«
»Nein.«
»Lügen Sie mich nicht an. Lügen Sie mich bitte nie an. Sie hatten vor fünf Tagen Besuch von einem Detective.«
»Ja, aber ich habe ihn nicht eingeladen. Ich habe ihm gesagt, er soll gehen.«
»Und was haben Sie ihm sonst noch gesagt?«
»Gar nichts.«
»Beleidigen Sie meine Intelligenz nicht.«
»Ich sage die Wahrheit. Ich schwöre. Ich habe das Lösegeld.« Rachels Stimme zittert, bricht aber nicht.
Wenn dies ein Polizeieinsatz wäre, würden wir den Anruf bis zum nächsten Sendemast im Umkreis des Anrufers zurückverfolgen. Andererseits ist er wahrscheinlich selbst in Bewegung und wird nie länger als ein paar Minuten in der Leitung bleiben.
»Ich brauche eine Bestätigung. Ich möchte Mickey sehen«, sagt Rachel. »Ich muss wissen, dass es ihr gut geht, sonst kann ich das, glaube ich, nicht durchstehen …«
»HALTEN SIE IHRE VERDAMMTE KLAPPE! Versuchen Sie nicht zu feilschen, Mrs. Carlyle.«
»Ich will nicht unvernünftig sein. Ich muss bloß wissen, dass sie …«
»Noch lebt? Hören Sie sie nicht?«
»Doch, ja, aber…
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