Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
Weg zum Eingang ist er ganz darauf konzentriert, Hundehaufen und Pfützen auszuweichen. Sein Hemd ist zerknittert, sein Haar ungekämmt.
Er bestellt einen Kaffee und zieht ein Stück Papier aus der Tasche, das er außerhalb meiner Reichweite festhält. »Erst beantworten Sie mir ein paar Fragen. Gerry Brandt hatte einen gefälschten Pass und einen Führerschein auf den Namen Peter Brannigan. In den vergangenen drei Jahren hat er eine Bar in Thailand betrieben. Der Typ war ein mieser kleiner Gangster – woher hatte er das Geld?«
»Drogen.«
»Das hab ich auch gedacht, aber weder die DEA noch Interpol haben etwas über ihn.«
»Er ist vor zwei Monaten nach Großbritannien zurückgekehrt. Seinem Onkel zufolge war er auf der Suche nach Investoren. «
»Das könnte die Lösegeldforderung erklären. Ray Murphys Kneipe hatte auch zu kämpfen.«
»Nun, am Ende sind sie dafür umgebracht worden. Die Ballistiker haben festgestellt, dass die Kugel, die wir in Ray Murphys Leiche gefunden haben, aus derselben Waffe stammt wie die Kugel, die Gerry Brandt getötet hat.«
Dave sieht auf die Uhr. »Ich muss ins Krankenhaus. Ich möchte dort sein, wenn Ali aufwacht.«
Er gibt mir den Zettel. »Vor sechs Jahren hat Kirsten Fitzroy in einem Verfahren vor dem Southwark Crown Court ausgesagt. Sie war Leumundszeugin für eine gewisse Heather Wilde, die angeklagt worden war, ein illegales Bordell zu betreiben und unmoralische Einkünfte daraus zu beziehen.«
Ich erinnere mich an den Fall. Heather besaß einen Swinger Club in einem Haus in Brixton. Sie hatte sogar eine Website,
Wild Times, behauptete jedoch, es fließe kein Geld, daher könne es sich auch nicht um Prostitution handeln.
Wo in Brixton? Dumbarton Road.
Mein Gedächtnis triumphiert erneut. Es ist ein Fluch.
35
Die Tür ist in eine weiß getünchte Backsteinmauer eingelassen, Hausnummer oder Briefkasten fehlen. Die dreistöckige Fassade hat etwa ein Dutzend Fenster mit vertikalen Verstrebungen. Das Glas ist grau vor Schmutz.
Ich weiß nicht, ob Kirsten sich hier aufhält. Das Haus sieht leer aus. Ich will sichergehen, möchte diesmal aber nicht die Polizei alarmieren – nicht nach dem, was Gerry Brandt passiert ist.
Regentropfen blinken auf den Kühlerhauben der parkenden Wagen auf beiden Straßenseiten. Ich gehe den Bürgersteig hinunter, vorbei an einem Gitterzaun mit angeschlossenen Fahrrädern und Mülltonnen, die auf ihre Leerung warten.
Ich klopfe und warte. Riegel werden zurückgeschoben, ein Schlüssel dreht sich im Schloss, dann wird eine Tür geöffnet, nicht weiter als einen Spaltbreit. Ein unfreundliches Gesicht von gut fünfzig mustert mich abschätzig.
»Mrs. Wilde?«
»Wissen Sie, wie spät es ist?«
»Ich suche Kirsten Fitzroy.«
»Nie gehört.«
Ich blicke an ihr vorbei in einen schmalen Flur und ein schwach beleuchtetes Wohnzimmer. Sie versucht, die Tür zuzuschlagen, aber ich stemme bereits meine Schulter dagegen und dränge sie in den Flur und gegen ein Telefontischchen, das umfällt.
»Ich will keinen Ärger machen. Hören Sie mich bloß an.« Ich helfe ihr, den Tisch wieder hinzustellen und die Telefonbücher aufzuheben.
Ihr Mund ist mit fettigem Lippenstift verschmiert, und sie
riecht nach feuchter Asche und Parfüm. Ihre in einen Seidenbademantel gezwängten Brüste erinnern mich an Honigmelonen. Daj hat immer erklärt, dass man die Reife einer Honigmelone an ihrer weißlichen Farbe erkennt. Da kann man mal sehen, wie mein Gedächtnis funktioniert.
Alle Möbelstücke im Wohnzimmer sind mit Laken bedeckt, außer einem Korbstuhl am Kamin und einer Tischplatte auf zwei Böcken. Darauf befinden sich eine kunstvoll verzierte Lampe, ein aufgeschlagenes Buch, eine Zigarettenschachtel, ein voller Aschenbecher und ein Feuerzeug in Form der Venus von Milo.
»Hat Kirsten Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«
»Ich habe doch gesagt, dass ich diesen Namen nie gehört habe.«
»Sagen Sie ihr, ich habe die Diamanten.«
»Welche Diamanten?«
Ich habe ihre Neugier geweckt. »Die, für die sie beinahe gestorben wäre.«
Mrs. Wilde hat mir keinen Platz angeboten, aber ich ziehe das Laken von einem Sessel und setze mich trotzdem. Ihre Haut ist bis auf den Hals und die Handrücken straff und beinahe durchscheinend. Sie nimmt eine Zigarette und betrachtet mich durch die Flamme vom Feuerzeug.
»Kirsten hat eine Menge Probleme«, erkläre ich. »Darum versuche ich, ihr zu helfen. Ich weiß, dass sie eine Freundin von Ihnen ist. Ich dachte, sie würde
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