Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
Tür?«, brüllt Mrs. Wilde von unten. »Wenn das meine verdammte Tür ist, werden Sie dafür bezahlen.«
Eine zweite Kugel durchschlägt das Holz dreißig Zentimeter über dem Fußboden.
» Okay, das reicht!«, lässt sich wieder Mrs. Wilde vernehmen. »Von jetzt an verlange ich eine beschissene Kaution.«
Ich sitze still da und lausche meinem eigenen Atem.
»Hey, Sie da draußen«, sagt eine Stimme, kaum lauter als ein Flüstern. »Sind Sie tot?«
»Nein.«
» Verwundet?«
»Nein.«
Sie flucht.
»Ich bin’s, Vincent Ruiz. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.«
Es folgt ein langes Schweigen.
»Bitte lassen Sie mich rein. Ich bin alleine.«
»Bleiben Sie weg. Bitte gehen Sie.« Ich erkenne Kirstens Stimme, belegt von Schleim und Angst.
»Das kann ich nicht machen.«
»Wie geht es Ihrem Bein?«, fragt sie nach einer weiteren langen Pause.
»Eineinhalb Zentimeter kürzer.«
»Ich rufe die Polizei, wenn nicht jemand für meine Tür aufkommt ! «, ruft Mrs. Wilde die Treppe hoch.
Ich seufze schwer. »Sie können die Waffe behalten, wenn Sie Ihre Vermieterin damit erschießen«, erkläre ich Kirsten.
Ihr Lachen geht in einem abgerissenen Husten unter.
»Ich komme jetzt rein.«
»Dann muss ich Sie erschießen.«
»Das werden Sie nicht tun.«
Ich richte mich auf und stelle mich vor die Tür. »Schließen Sie auf?«
Nach langem Warten höre ich ein doppeltes metallisches Klicken. Ich drehe am Knauf und stoße die Tür auf.
Schwere Vorhänge sind vor die Fenster gezogen und tauchen das Zimmer in Halbdunkel. Der Raum hat hohe Decken und Spiegel an zwei Wänden. In der Mitte steht ein großes eisernes Bettgestell. Kirsten lagert zwischen den Decken, die Beine angezogen, die Pistole auf den Knien. Sie hat ihre Haare abgeschnitten und blond gefärbt. Sie fallen ihr in verschwitzten Locken in die Stirn.
»Ich dachte, Sie sind tot«, erklärt sie.
»Das Gleiche könnte ich auch sagen.«
Sie stützt ihr Kinn auf den Pistolenlauf und starrt verloren in den Halbschatten. Der billige Kronleuchter über ihrem Kopf fängt einen Lichtstrahl auf, der durch die Vorhänge fällt, und die Spiegel reflektieren das Bild aus leicht verschobenen Perspektiven.
Ich lehne mich an die Fensterbank, die Vorhänge fallen in meinen Rücken. Ich höre Regentropfen gegen die Scheibe prasseln.
Kirsten verlagert ihr Gewicht ein wenig und verzieht das Gesicht vor Schmerzen. Auf dem Boden um das Bett herum liegen Schachteln mit Schmerzmitteln und aufgerissene Silberfolien.
»Kann ich mal sehen?«
Wortlos hebt sie den Saum ihrer Bluse so weit an, dass ich einen vergilbten Verband erkennen kann, verkrustet von Blut und Schweiß.
»Sie müssen ins Krankenhaus.«
Sie lässt den Saum wieder sinken, antwortet aber nicht.
»Eine Menge Leute suchen Sie.«
»Und Sie kassieren die Belohnung.«
»Kann ich einen Krankenwagen rufen?«
»Nein.«
»Okay, dann reden wir einfach. Wollen Sie mir erzählen, was passiert ist?«
Kirsten zuckt mit den Schultern und lässt die Waffe zwischen ihre Schenkel sinken. »Es war eine Chance.«
»Mit dem Feuer zu spielen.«
»Ein neues Leben aufzubauen.« Sie lässt den Satz unvollendet, leckt sich über die Lippen, fasst einen stummen Entschluss und setzt neu an. »Am Anfang war es fast ein Witz, ein ›Was wäre, wenn‹, das man durchspielt und darüber lacht. Ray war gut, was die technische Seite betraf. Er hat früher in der Kanalisation gearbeitet. Ich hatte den Blick fürs Detail. Anfangs dachte ich, Rachel würde vielleicht mitspielen. Wir hätten das Ganze inszenieren können, und sie hätte endlich bekommen, was ihr von ihrer Familie und ihrem Exmann zustand. Das waren sie ihr schuldig.«
»Sie wollte nicht mitmachen?«
»Ich habe gar nicht erst gefragt. Die Antwort wäre klar gewesen. «
Ich sehe mich im Zimmer um. Die Tapete hat ein Wabenmuster, und jedes Achteck präsentiert die Umrisse einer nackten Frau in einer anderen erotischen Pose. »Was ist mit Mickey passiert ?«
Kirsten scheint mich gar nicht zu hören. Sie erzählt die Geschichte in ihrem eigenen Tempo.
»Ohne Gerry Brandt wäre alles glatt gegangen, wissen Sie. Mickey hätte es bis nach Hause geschafft. Ray würde noch leben. Gerry hätte sie nie laufen lassen dürfen … nicht allein. Er sollte sie nach Hause bringen.«
»Das verstehe ich nicht. Wovon reden Sie?«
Ein schmerzhaftes Lächeln huscht über ihr Gesicht, ohne dass
sie die Lippen öffnet. »Armer Inspector, Sie haben es immer noch nicht begriffen,
Weitere Kostenlose Bücher