Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
Vom Netzwerk:
Himmel ist grau, die Abendluft feucht und schwer. Fern des dröhnenden Motors findet mein pochender Kopfschmerz seinen eigenen Rhythmus. Alexej bringt mich zur Gangway, dicht gefolgt von dem Russen, dessen linker Arm wegen des Halfters ein wenig ausladender schlenkert.
    »Haben Sie je daran gedacht, einen normalen Beruf zu ergreifen ?«, frage ich.
    Alexej überlegt. »Vielleicht sollten wir zusammen etwas Neues anfangen.«
    Wahrscheinlich hat er sogar Recht – so verschieden sind wir nicht. Wir haben beide unsere Beziehungen vermurkst und unsere Kinder verloren. Und wir sind zu alt, um etwas anderes zu machen. Ich habe zwei Drittel meines Lebens damit zugebracht, Verbrecher einzusperren, meistens Kleinganoven und Gesindel. Alexej war das, worauf ich hingearbeitet habe. Mein ehrgeiziges Ziel, der Grund, warum ich den Job gemacht habe.
    Als ich die Gangway betrete, folgt mir der Russe mit zwei Schritten Abstand. Links neben mir hängt das Seil zwischen den Messingpfosten. Der Russe schließt zu mir auf, und ich spüre, wie das warme Metall der Waffe über die kurzen Härchen in meinem Nacken streicht.
    »Mein Angestellter wird Sie begleiten, um die Diamanten abzuholen«, erklärt Alexej.
    In diesem Augenblick lasse ich mich plötzlich über den Rand der Gangway fallen, reiße im letzten Moment die Hand hoch, packe das Seil und klammere mich fest, während mein Körper
im hohen Bogen seitlich gegen die Brücke prallt. Der Russe stürzt an mir vorbei ins Wasser.
    Ich schwinge mein gesundes Bein auf den Steg und rappele mich auf. Alexej sieht zu, wie der Russe mit den Armen rudert, um über Wasser zu bleiben.
    »Ich glaube, er kann nicht schwimmen«, bemerke ich.
    »Manche Menschen lernen es nie«, erwidert Alexej ungerührt.
    Ich nehme einen Rettungsring von einem Pfahl und werfe ihn ins Wasser, wo ihn der Russe an die Brust drückt.
    »Eine letzte Frage. Woher wussten Sie, wo das Lösegeld wieder auftauchen würde? Irgendjemand muss es Ihnen gesagt haben. «
    Alexej bleckt die Zähne, aber sein Blick bleibt ausdruckslos. »Sie haben bis morgen früh Zeit, die Diamanten zurückzugeben. «

34
    Ali schäft. Schläuche transportieren Schmerzmittel in ihren Körper hinein und Abfallstoffe heraus. Alle paar Stunden wird ein neuer Beutel flüssiges Morphium angeschlossen. Die Zeit bemisst sich nach den Abständen dazwischen.
    »Sie können wirklich nicht hier bleiben«, sagt die Krankenschwester. »Kommen Sie morgen früh wieder. Dann ist sie wach.«
    Die Krankenhausflure sind beinahe menschenleer. Ich gehe in den Besucherraum, setze mich auf einen Stuhl und schließe die Augen. Ich wünschte, ich hätte mich Alexej begreiflich machen können, aber sein Hass hat ihn blind werden lassen. Er glaubt nicht, dass Mickey noch lebt. Stattdessen glaubt er, dass man seine Schwäche ausgenutzt hat – seine Familie.
    Ich denke an Luke und frage mich, ob er womöglich Recht hat. Daj trauert immer noch um ihre verlorene Familie. Ich grübele immer noch über Claire und Michael nach und frage mich, was schief gelaufen ist. Gleichgültigkeit wäre so viel leichter.
    Meine Muskeln schmerzen, mein ganzer Körper scheint gegen sich selbst zu kämpfen. Traumartige Bilder schwirren mir durch den Kopf: Leichen, die in Flüssen versenkt oder durch die Kanalisation fortgespült werden. Als Nächstes ist Kirsten an der Reihe.
    Dunkelheit drängt gegen die Fenster. Ich blicke auf die Straße und habe eine nostalgische Sehnsucht nach dem Land. Die Rhythmen einer Stadt werden von Presslufthämmern, Ampeln und Zugfahrplänen bestimmt. Den Wechsel der Jahreszeiten nehme ich kaum wahr.

    Ein Schatten taucht neben mir im Fenster auf.
    »Ich dachte mir, dass ich Sie vielleicht hier finde«, sagt Joe, setzt sich und legt seine Beine auf einen niedrigen Tisch. »Wie ist es mit Alexej gelaufen?«
    »Er wollte nicht zuhören.«
    Joe nickt. »Sie sollten ein bisschen schlafen.«
    »Sie auch.«
    »Dafür ist man noch lange genug tot.«
    »Das hat mein Stiefvater auch immer gesagt. Jetzt kriegt er jede Menge Schlaf.«
    Joe weist auf das Sofa gegenüber vom Fenster. »Ich habe nachgedacht.«
    »Ja.«
    »Ich glaube, ich weiß jetzt, warum Ihnen das alles so viel bedeutet. Als Sie mir erzählt haben, was mit Luke geschehen ist, haben Sie mir nicht die ganze Geschichte erzählt.«
    Ich spüre, wie sich in meinem Hals ein Kloß bildet. Ich könnte nicht reden, selbst wenn ich wollte.
    »Sie haben gesagt, er sei auf seinem eigenen Schlitten gefahren. Ihr Stiefvater

Weitere Kostenlose Bücher