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Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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verblassen. Zwischen uns hat sich eine kalte, breite Kluft aufgetan.
    »Als die Schießerei losging, dachte ich, es sei die Polizei. Aber dann haben sie immer weitergeschossen.«
    »Haben Sie den Scharfschützen gesehen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie überhaupt irgendjemanden gesehen?«
    Sie schüttelt den Kopf. Obwohl sie erschöpft ist, scheint das Reden eine Erleichterung für sie zu sein. Sie kann sich nicht erinnern, wie lange sie im Wasser war. Die Strömung trug sie nach Osten an Westminster vorbei. Irgendwann krabbelte sie an der Bankside Jetty in der Nähe des Globe Theatre ans Ufer und brach dort in eine Apotheke ein, wo sie Verbandsmaterial und Schmerzmittel stahl. Sie schlief unter Malerplanen in einem Laden, der gerade renoviert wurde.
    Sie konnte nicht fliehen und auch nicht in ein Krankenhaus gehen. Alexej hätte sie gefunden. Nachdem er wusste, wer Mickey entführt hatte, würde er nicht mehr aufhören zu suchen.
    »Und seither haben Sie sich versteckt?«
    »Und darauf gewartet zu sterben.« Ihre Stimme klingt so leise, als würde sie aus einem anderen Zimmer kommen.
    Die Luft ist stickig und von einem widerlichen Geruch nach Schweiß und Vergiftung erfüllt. Entweder ist alles, was Kirsten mir erzählt hat, wahr, oder alles ist eine außergewöhnlich komplizierte Lüge.
    »Bitte gehen Sie vom Fenster weg«, sagt sie.
    »Warum?«

    »Ich sehe ständig rote Punkte. Sie sind mir in die Pupille gebrannt. «
    Ich weiß, was sie meint.
    Ich setze mich auf den Stuhl neben ihrem Bett und gieße ihr ein Glas Wasser ein. Sie hat den Finger nicht mehr am Abzug.
    »Was wollten Sie mit dem Lösegeld machen?«
    »Ich hatte Pläne.« Sie beschreibt ein neues Leben in Amerika, und aus ihrem Mund klingt die Idee fortzugehen, ohne sich noch einmal umzudrehen, beinahe unwiderstehlich. Die Romantik von Schlussstrich und Neuanfang.
    Manchmal habe ich ähnliche Gedanken – möchte jemand anders sein oder ganz neu beginnen –, aber dann wird mir klar, dass ich nicht den Wunsch habe, den größten Teil der Welt gesehen zu haben, und es schon schwierig genug finde, alte Freundschaften zu pflegen, geschweige denn neue zu schließen. Wovor sollte ich fliehen? Ich wäre nur ein weiterer Hund, der seinem eigenen Schwanz nachjagt.
    »Wir waren dumm. Wir hätten weggehen sollen, dankbar dafür, dass niemand die Wahrheit über Mickey wusste. Jetzt ist es zu spät.«
    »Ich kann Sie schützen«, sage ich.
    »Das kann keiner.«
    »Ich kann mit dem Crown Prosecution Service reden, der Staatsanwaltschaft. Wenn Sie gegen Alexej aussagen, kann man Sie …«
    »Was soll ich denn aussagen?«, erwidert sie harsch. »Ich habe nicht gesehen, wie er irgendwen erschossen hat. Ich kann auf kein Verbrecherfoto zeigen oder ihn bei einer Gegenüberstellung aus einer Reihe von Verdächtigen herauspicken. Und wenn er zwei Mal ein Lösegeld bezahlt hat – das ist nicht illegal.«
    Sie hat Recht. Der schlimmste Vorwurf, den man Alexej machen könnte, wäre die Unterschlagung von Informationen im Fall der ersten Lösegeldforderung.
    Es muss doch noch mehr geben. Ein Mann organisiert die
Hinrichtung mehrerer Menschen, und niemand kann ihm etwas anhaben.
    Zum ersten Mal seit langem weiß ich nicht, was ich als Nächstes tun soll. Ich weiß, dass ich die Polizei rufen muss. Außerdem muss ich Kirsten in Sicherheit bringen. Es gibt Zeugenschutzprogramme für IRA-Informanten und Zeugen gegen das organisierte Verbrechen, aber was können die bieten? Kirsten kann ihnen Alexej nicht ans Messer liefern. Sie kann keine Verbindung zwischen ihm und den Exekutionen oder sonst einem seiner Verbrechen beweisen.
    »Und wenn wir ein Treffen verabreden?«
    »Was?«
    »Wir nehmen Kontakt zu Alexej auf und organisieren ein Treffen.«
    Sie legt die Hände auf die Ohren, weil sie nichts davon hören will. Ihre Haut glänzt im Licht der Nachttischlampe wie Metall.
    Sie hat Recht. Alexej würde nie einwilligen.
    »Sie können mich nicht retten. An Ihrer Stelle würde ich ihn jetzt anrufen und ihm sagen, wo ich bin. Vielleicht können Sie für sich eine Strafmilderung erwirken.«
    »Ich rufe einen Krankenwagen.«
    »Nein.«
    »Hier können Sie nicht bleiben. Was glauben Sie, wie lange es dauert, bis Ihre Vermieterin Sie aufgibt.«
    »Wir sind alte Freundinnen.«
    »Das sehe ich! Wie viel hat es Sie gekostet, noch immer hier zu sein?«
    Sie hält die Hände hoch. Ihr Schmuck ist verschwunden.
    Wir sitzen schweigend da, und nach einer Weile wird ihr Atem gleichmäßiger. Sie ist

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