Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
Vom Netzwerk:
bin Deutscher, Zigeuner und Engländer, ein Drittel böse, ein Drittel Opfer, ein Drittel wütend. Meine Mutter hat immer gesagt, ich sei ein Gentleman. Keine andere Sprache kennt ein vergleichbares Wort, um einen Mann zu beschreiben. Es ist ein Paradoxon.
Man kann nicht behaupten, es zu sein, aber man hofft, dass die anderen einen so sehen.
    Ich blicke zu Joe auf und blinzele die Vergangenheit weg. Ich habe die ganze Zeit geredet.
    Seine Stimme ist leiser als meine. »Man ist nicht verantwortlich für die Sünden seiner Väter.«
    Ja klar! Jetzt bin ich wütend. Warum musste er damit anfangen? Er kann sich seinen versponnenen, gefühlsduseligen Psychoscheiß an den Hut stecken.
    Wir sitzen schweigend da. Ich habe zu Ende geredet. Meine Albträume marschieren in Schaftstiefeln, man lässt sie besser in Ruhe.
    Plötzlich steht Joe auf und beginnt, seine Aktentasche zu packen. Ich will nicht, dass er jetzt geht.
    »Wollen wir nicht über das Lösegeld reden?«
    »Sie sind müde. Ich komme Sie morgen wieder besuchen.«
    »Aber ich erinnere mich an einige Einzelheiten.«
    »Das ist gut.«
    »Können Sie mir nicht irgendwas sagen, das ich machen soll?«
    Er sieht mich fragend an. »Sie wollen einen guten Rat?«
    »Ja.«
    »Gehen Sie nie zu einem Arzt, dem in der Praxis die Pflanzen gestorben sind.«
    Dann ist er weg.

7
    Als Mickey verschwand, habe ich achtundvierzig Stunden nicht geschlafen. Wenn ein vermisstes Kind innerhalb der ersten beiden Tage nicht gefunden wird, verringern sich die Chancen, es lebend wiederzubekommen, um vierzig Prozent. Nach den ersten beiden Wochen liegt die Wahrscheinlichkeit bei unter zehn Prozent.
    Ich hasse Statistiken. Irgendwo lese ich, dass der Mensch durchschnittlich fünf Komma neun Blätter Toilettenpapier benutzt, um sich den Arsch abzuwischen. Das beweist gar nichts und hilft niemandem.
    Hier sind noch ein paar Zahlen. Sechshundert Freiwillige haben die Straßen abgesucht, achtzig Polizeibeamte sind von Tür zu Tür gegangen. Das Gefühl der Dringlichkeit wurde beinahe gewalttätig. Ich wollte Türen eintreten, Bäume schütteln und jedes Kind aus den Parks und von den Bürgersteigen jagen.
    Wir haben Alibis überprüft, Autofahrer angehalten, Handelsvertreter befragt und jeden aufgespürt, der die Dolphin Mansions im Monat zuvor aufgesucht hatte. Jeder Bewohner wurde vernommen. Ich wusste, wer von ihnen seine Frau schlägt, mit Prostituierten schlief, mit den Krankmeldungen schummelte oder Marihuana unter dem Bett züchtete.
    Es gab fünfundsechzig unbestätigte Meldungen, dass Mickey gesehen worden war, und vier Geständnisse (darunter von einem Menschen, der behauptete, er hätte sie einem heidnischen Waldgott geopfert). Des Weiteren boten uns zwölf Wahrsager und zwei Handleserinnen ihre Dienste an, ebenso ein Typ, der sich Zauberer von Little Milton nannte.
    Die glaubwürdigste Aussage stammte von einem älteren Ehepaar,
die meinten, Mickey am Mittwochabend in der U-Bahn-Station Leicester Square gesehen zu haben. Aber Mrs. Esmeralda Bird hatte ihre Brille nicht auf, und ihr Mann Brian war nicht nah genug, um das Mädchen genau erkennen zu können. In dem Bahnhof gab es zwölf Sicherheitskameras, aber keine war im richtigen Winkel ausgerichtet, und das Bildmaterial war so dürftig, dass es nichts zur Klärung hätte beitragen können, bei einer Veröffentlichung jedoch die ganze Ermittlung torpediert hätte.
    Die Suche war bereits zu einem Medienereignis geworden. Fernsehübertragungswagen blockierten die Randolph Avenue und sendeten Bilder an Kästen in Kästen, damit Menschen, die Mickey nie getroffen hatten, beim Frühstück von ihren Cornflakes aufblicken und sie für einen flüchtigen Moment adoptieren konnten.
    Violette Bänder wurden an die Geländer und Zäune vor den Dolphin Mansions geknotet, einige mit eingeflochtenen Blumen und Fotos von Mickey. Bilder von ihr hingen an Fassaden, Laternen und in Schaufenstern.
    Die Sexualverbrecherdatei warf dreihundertneunundfünfzig Namen für London und Umgebung aus. Zwei Dutzend von ihnen wohnten in der Gegend oder waren in irgendeiner Weise mit ihr verbunden. Jeder Name wurde überprüft, jedes Detail verglichen auf der Suche nach den unsichtbaren Verbindungslinien, die die Welt zusammenhalten.
    Das dauerte leider, und die Tyrannei der Zeit war unerbittlich. Die Uhr tickte mit ihrem mechanischen Herzen weiter. Eine Minute wird nicht länger, bloß weil ein Kind vermisst wird. Es fühlt sich nur so an.
    Nach zwei Tagen ging ich

Weitere Kostenlose Bücher