Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
Polizeigeschichten hat – je grausamer, desto besser.
»Haben Sie heute schon jemanden verhaftet?«, fragt sie mich.
»Warum? Hast du etwas angestellt?«
Sie sieht mich entsetzt an. » Nein! «
»Dann weiter so.«
Julianne gibt mir einen Kaffee. Dabei fällt ihr auf, dass mein Ringfinger fehlt. »Ich nehme an, damit ist es offiziell – Sie sind nicht der Typ, der heiratet.«
Charlie ist ebenso fasziniert und beugt sich näher heran, um die runzlige rosa Haut über dem Stumpf genauer zu betrachten.
»Was ist passiert?«
»Ich habe zu schnell in einen Hamburger gebissen.«
»Wie eklig.«
»Ich hab gar nichts geschmeckt.«
Julianne ermahnt mich. »Psst, sonst kriegt sie noch Albträume. Komm, Charlie, du musst noch Hausaufgaben machen.«
»Aber heute ist Freitag. Du hast gesagt, du gehst mit mir Schuhe kaufen.«
»Das machen wir morgen.«
Das bessert ihre Laune merklich. »Kann ich welche mit Absätzen kriegen?«
»Wenn sie nur so hoch sind.« Julianne hält Daumen und Zeigefinger etwa zwei Zentimeter auseinander.
»Doof.«
Charlie nimmt das Baby auf die Hüfte, senkt den Kopf und schüttelt die Ponyfransen aus den Augen. Mein Gott, sie sieht aus wie ihre Mutter!
Joe schlägt vor, dass wir in sein Arbeitszimmer gehen. Ich folge ihm die Treppe hinauf in einen kleinen Raum mit Blick in den Garten. Ein zwischen Bücherregalen und einem Aktenschrank eingeklemmter Schreibtisch nimmt den Großteil des Platzes ein. Rechts an der Wand hängt eine Pinnwand voller Notizen, Postkarten und Familienfotos.
Das ist Joes Schlupfloch. Wenn ich mit drei Frauen zusammenleben würde, hätte ich auch eins, obwohl meine Höhle mit einer Hausbar samt Kühlschrank und einem Fernseher ausgestattet wäre.
Joe nimmt einen Packen Akten von einem Stuhl und räumt seinen
Schreibtisch auf. Ich habe den Eindruck, dass er nicht mehr so organisiert ist wie früher. Vielleicht liegt das am Parkinson.
»Sie benutzen Ihren Gehstock nicht mehr«, bemerkt er.
»Ich habe ihn zerbrochen.«
»Ich kann Ihnen einen anderen leihen.«
»Ist schon okay. Mein Bein wird langsam kräftiger.«
In der nächsten Stunde sichten wir die Trümmer meines Tages. Ich erzähle ihm von Sir Douglas und dem Angriff vor Kirstens Haus. Seine Miene verrät gar nichts. Sie ist wie eine leere Seite in einem seiner Notizbücher. Er hat mir einmal von dem so genannten Parkinson’schen Maskengesicht erzählt. Vielleicht ist es das.
Joe fängt an, Linien auf einen Block zu malen. »Ich habe über das Lösegeld nachgedacht.«
»Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?«
»Es muss einen Brief, eine E-Mail oder einen Anruf zur ersten Kontaktaufnahme gegeben haben. Sie haben DNA-Tests erwähnt. «
»Haare wurden analysiert.«
»Der erste Kontakt muss ein enormer Schock gewesen sein. Wir haben ein totes Mädchen, einen Mann, der wegen dieses Mordes im Gefängnis sitzt, und dann taucht plötzlich eine Lösegeldforderung auf. Was haben Sie gedacht?«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Aber Sie können es sich vorstellen. Sie können sich in die Situation hineinversetzen. Was denken Sie, als der Brief mit der Lösegeldforderung eintrifft?«
»Das Ganze ist ein Schwindel.«
»Sie waren nie von Howards Schuld überzeugt.«
»Es riecht trotzdem nach einem Schwindel.«
»Was könnte Sie umstimmen?«
»Ein Lebenszeichen.«
»Der Brief mit der Lösegeldforderung enthält mehrere Haare.«
»Ich lasse sie testen.«
»Was sonst noch?«
»Ich lasse alles analysieren – die Tinte, die Handschrift, das Papier …«
»Wer macht das normalerweise?«
»Der Forensic Science Service.«
»Aber Ihr Chef weigert sich, Ihnen zu glauben? Er sagt, Sie sollen den Fall ruhen lassen.«
»Er irrt!«
»Niemand glaubt an den Brief mit Ausnahme von Ihnen und der Mutter des Mädchens. Warum glauben Sie daran?«
»Es können nicht nur die Haare sein. Ich brauche weitere Beweise. «
»Was zum Beispiel?«
»Ein Foto oder noch besser ein Video mit einem zeitrelevanten Detail wie der Titelseite einer Zeitung.«
»Was noch?«
»Blut oder Hautgewebe – etwas, das nicht drei Jahre alt sein kann.«
»Wenn ein solcher Beweis nicht vorliegt – führen Sie die Lösegeldübergabe trotzdem durch?«
»Ich weiß nicht. Es könnte ein Schwindel sein.«
»Vielleicht wollen Sie die Schwindler fassen.«
»Dafür würde ich Rachel nicht in Gefahr bringen.«
»Sie müssen es also geglaubt haben.«
»Ja.«
»Keiner Ihrer Kollegen teilt Ihre Meinung. Warum nicht?«
»Vielleicht ist
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