Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
Ausmaß der Lähmung feststellen, noch ob sie von Dauer sein wird. Ich habe einen anderen Patienten, einen Jockey, der ähnliche
Verletzungen hatte. Er wurde abgeworfen und ist auf der Rennbahn gelandet. Er macht sehr gute Fortschritte und wird wahrscheinlich wieder laufen können.«
Schweiß kühlt auf meiner Haut, und lange leere Flure erstrecken sich endlos in alle Richtungen.
»Im Moment steht sie unter sehr starken Schmerzmitteln, aber Sie können zu ihr gehen«, sagt er und kratzt sich sein unrasiertes Kinn. »Versuchen Sie, jede Aufregung zu vermeiden.« Im gleichen Moment geht sein Pieper los und erschüttert mein Trommelfell. Er wirft Alis Eltern einen entschuldigenden Blick zu und eilt mit klappernden Schuhen den Flur hinunter.
Ich warte vor Alis Zimmer, bis ich an der Reihe bin. Ich kann ihren Eltern nicht ins Gesicht sehen, als sie herauskommen. Ihre Mutter hat geweint, und ihre Brüder suchen einen Schuldigen. Ich kann mich nirgends verstecken.
Übelkeit überkommt mich, als ich die Tür aufstoße und ein paar Schritte ins Halbdunkel mache. Ali liegt flach auf dem Rücken und starrt an die Decke. Ihr Kopf und ihr Hals werden von einem skelettartigen Stahlgestell gehalten, es verhindert, dass sie sich zur Seite dreht.
Ich gehe nicht zu nah ran, um ihr meinen Gestank und meine Hässlichkeit zu ersparen, aber es ist schon zu spät. Sie sieht mich im Spiegel über ihrem Bett und sagt: »Morgen.«
Ich blicke mich im Zimmer um und nehme mir einen Stuhl. Durch die Vorhänge fallen goldene Lichtstrahlen auf ihr Bett.
»Wie fühlen Sie sich?«, frage ich.
»Im Moment schwebe ich mit Lucy and her diamonds. Ich fühle überhaupt nichts.« Sie atmet ein, stöhnt leise und lächelt tapfer. Die Tränenspuren auf beiden Seiten ihres Gesichts sind getrocknet. »Sie sagen, ich muss an der Wirbelsäule operiert werden. Ich werde dafür sorgen, dass sie ein paar Zentimeter hinzufügen. Ich wollte schon immer eins achtzig sein.«
Sie will, dass ich lache, doch ich bringe nicht mehr als ein Lächeln zustande. Ali ist verstummt. Ihre Augen sind geschlossen.
Ich stehe leise auf, doch sie streckt die Hand aus und packt mein Handgelenk.
»Was haben die Ärzte gesagt?«
»Genaueres wissen sie erst in ein paar Tagen.«
»Werde ich wieder laufen können?«, fragt sie, die Worte förmlich herauswürgend.
»Sie glauben schon.«
Sie kneift die Augen zu, und Tränen schimmern im Delta ihrer kleinen Fältchen.
»Sie werden wieder gesund«, sage ich und versuche, überzeugend zu klingen. »Sie werden in null Komma nichts wieder auf der Arbeit sein – in voller Länge von eins achtzig.«
Ali will, dass ich bleibe. Ich sehe ihr beim Schlafen zu, bis mich eine Schwester hinausscheucht. Es ist fast Mittag. Ein Dutzend Anrufe erwarten mich auf meiner Mailbox – die meisten von Campbell Smith.
Ich rufe in der Einsatzzentrale an, um die neuesten Nachrichten über den nach wie vor verschwundenen Gerry Brandt zu erfahren. Niemand spricht mit mir. Schließlich dringe ich zum Einsatzleiter vor, der sich meiner erbarmt. Unter den Bodenbrettern in Gerry Brandts Schlafzimmer hat man dreihundert Ecstasypillen gefunden, außerdem Spuren von Speed in einem Toilettenrohr im ersten Stock. Ist er deshalb geflohen?
Kurz vor zwei treffe ich in der Harrow Road Police Station ein und gehe durch ein überfülltes Vorzimmer, in dem sich zwei Autofahrer mit blutbespritzten Hemden wegen eines Verkehrsunfalls anschreien.
Campbell schließt seine Bürotür hinter mir, jeder Zoll ein Chief Constable im Wartestand, die Hände hinter dem Rücken gefaltet und das Gesicht steifer als Bastelpappe.
»Herrgott noch mal, Ruiz! Zwei gebrochene Wirbel, gebrochene Rippen und ein Milzriss – sie könnte im Rollstuhl enden. Und wo warst du? Du bist von einem beschissenen Milchwagen überfahren worden …«
Ich kann sie am Ende des Flures noch lachen hören. Die Witzelei hat noch nicht angefangen, aber das liegt nur daran, dass Ali so schwer verletzt ist.
Campbell zieht die oberste Schublade von seinem Schreibtisch auf und nimmt einen maschinegeschriebenen Bogen Papier heraus. »Ich habe dich gewarnt. Ich habe gesagt, du sollst dich da raushalten.«
Er überreicht mir meine Kündigung. Ich soll aus gesundheitlichen Gründen sofort in den Ruhestand treten.
»Unterschreib.«
»Was unternehmt ihr, um Gerry Brandt zu finden?«
»Das soll nicht deine Sorge sein. Unterschreib den Brief.«
»Ich möchte euch helfen, ihn zu finden. Ich unterschreibe den
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