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Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Heizkessel. Er verschwindet durch eine kaum schulterbreite Lücke, wo die geschwungene Seite des Kessels nicht ganz mit der Wand abschließt.
    »Alles in Ordnung da drinnen?«
    »Ja«, antwortet er und kommt mit einem Buch in der Hand wieder zum Vorschein. »Das ist meine Höhle. Wollen Sie reinkommen? «
    »Ich glaube nicht, dass ich da reinpasse. Was hast du denn da?«
    »Ein Buch. Es hat früher ihr gehört, aber jetzt gehört es mir.«
    »Darf ich mal gucken?«
    Er gibt es mir zögernd. Der Umschlag ist ausgeblichen und angefressen, aber ich kann die Illustration einer Ente mit ihren Küken erkennen. Auf der Innenseite des Umschlags klebt ein großes Etikett mit einem verschnörkelten Rand. Darauf steht: »Michaela Carlyle, 4 1/2 Jahre.«
    Die Geschichte handelt von fünf kleinen Entlein, die eines Tages über die Hügel wandern und weit fortgehen. Die Mutterente sagt: »Quak, quak, quak, quak«. Aber nur vier kleine Enten kommen zurück. Und so verschwinden die Entlein eines nach dem anderen, aber auf der letzten Seite kehren sie alle wieder heim.
    Ich gebe dem Jungen das Buch zurück, knie mich auf den Boden und spähe durch die Lücke zwischen Kessel und Mauer.
    »Da drin ist es aber dunkel.«
    »Ich habe eine Taschenlampe.«
    »Höre ich da Wasser rauschen?«
    »Mein Dad sagt, dort unten fließt ein Fluss.«
    »Wo?«
    Er zeigt mit dem Daumen nach unten, und ich starre auf seine Füße. Ein kalter Schauer packt meine Haarwurzeln wie Frost.
    Ich zerre die halb vollen Mörtel- und Zementsäcke beiseite und ein ausgefranstes, quadratisches, einmal umgeschlagenes Stück Teppich kommt zum Vorschein. Ich ziehe es zur Seite und
entdecke ein in den Steinboden eingelassenes Metallgitter. Ich presse mein Gesicht darauf und versuche, zwischen den Stäben hindurchzuspähen. Mein Blick wandert an den Backsteinmauern hinab, sie scheinen schwarze Tränen zu weinen. Weiter unten gurgelt Wasser, als würde es eine riesige Zisterne füllen.
    Der Junge redet immer noch, aber ich höre nicht mehr zu. Das hätten wir vor drei Jahren finden müssen. Wir haben nicht nach Tunneln gesucht, und der Lärm der Suche hat das Rauschen des Wassers garantiert überdeckt.
    »Wie heißt du?«
    »Timothy.«
    »Kann ich mir deine Taschenlampe ausleihen, Timothy?«
    »Klar.«
    Obwohl sie nicht besonders stark ist, leuchtet sie immerhin weitere zwei Meter vom Schacht aus. Den Boden allerdings kann ich nicht sehen.
    Ich umklammere die Stäbe und versuche, das Gitter anzuheben, aber es ist festgeklemmt. Auf der Suche nach einem Hebel fällt mir ein alter stumpfer Meißel mit abgebrochenem Griff ins Auge. Ich drücke ihn in die Lücke zwischen Metall und Stein, schiebe ihn hin und her, stoße ihn tiefer in den Spalt und drehe ihn unter Einsatz meines gesamten Körpergewichts zur Seite. Das Gitter lässt sich gerade so weit anheben, dass ich unter eine Kante packen kann. Mein Gott, ist das Ding schwer!
    Timothy fasst mit an, und wir bewegen das Gitter zur Seite, bevor wir es mit einem lauten Klappern fallen lassen. Er beugt sich vor und linst in die eckige schwarze Grube.
    »Wow! Wollen Sie da runtersteigen?«
    Ich leuchte mit der Taschenlampe in den Schacht. Statt die Dunkelheit zu durchdringen, scheint das Licht zurückgeworfen zu werden. An einer Wand sind U-förmige Griffe montiert.
    »Ich bin Polizist«, erkläre ich dem Jungen und gebe ihm eine Visitenkarte aus meiner Brieftasche. »Hast du eine Uhr, Timothy? «

    »Nein.«
    »Okay. Weißt du, wie lange eine Stunde ist?«
    »Ja.«
    »Wenn ich in einer Stunde nicht wieder hier bin, möchte ich, dass du die Karte deiner Mum gibst und ihr sagst, sie soll bitte diese Nummer anrufen.« Ich schreibe die Telefonnummer vom Professor auf. »Sag ihm, wohin ich gegangen bin. Hast du verstanden? «
    Er nickt.
    Ich schiebe die Taschenlampe in meinen Hosenbund und lasse mich in das Loch hinab. Nach einem guten Meter bin ich klatschnass, und das Rauschen ist zum Dauergeräusch geworden. Der Junge ist immer noch da. Ich kann den Umriss seines Kopfes im hellen Rechteck über mir ausmachen.
    »Geh jetzt nach oben, Timothy. Und komm nie wieder hier runter.«
    In fünf Meter Tiefe halte ich mich mit einer Hand an der Leiter fest und leuchte mit der Taschenlampe in der anderen nach unten. Nichts.
    Ich steige tiefer und spüre, dass die Luft kühler wird, bis meine Füße auf etwas Hartes und Flaches stoßen. Im Schein der Taschenlampe sehe ich einen Fluss, der durch einen Tunnel rauscht. Etwa dreißig Zentimeter

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