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Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Klärwerk in Beckton.«
    »Und das Kanalsystem wird vom Regenwasser durchspült?«
    Er schüttelt den Kopf. »Die Hauptabwasserkanäle sind an alten Flüssen gebaut und werden von ihnen bewässert.«
    Der einzige Fluss, der meines Wissens vom Norden auf die Themsemündung stößt, ist der River Lea, und der liegt ein ganzes Stück weiter östlich.
    »Es gibt jede Menge Flüsse«, höhnt Angus. »Man kann Flüsse nicht einfach wegzaubern. Man kann sie zudecken oder in Rohre umleiten, aber sie fließen weiter wie eh und je.«
    »Wo sind sie?«
    »Na ja, es gibt den Westbourne, den Wallbrook, den Tyburn, den Stamford Brook, den Counter’s Creek und den Fleet …«
    Jeder dieser Namen klingt vertraut. Es gibt dutzende von
Straßen, Parks und Siedlungen, die nach ihnen benannt sind, aber ich habe sie nie mit alten Flüssen in Verbindung gebracht. Meine Nackenhaare sträuben sich. Man hört Geschichten von geheimen Städten unter Städten; Tunnel, durch die Premierminister zu Kriegskabinetten und Mätressen zum Rendezvous mit dem König gelangt sind, aber ich hatte nie etwas von einer Wasserwelt gehört, von unsichtbaren Flüssen, die unter den Straßen dahinströmen. Kein Wunder, dass die Wände weinen.
    Moley will, dass wir in Bewegung bleiben. Der Tunnel verläuft geradeaus weiter, hin und wieder mündet ein Schacht von oben in die Röhre und erzeugt einen Miniwasserfall. Wir halten uns in der Mitte des Stroms und waten durch die Ablagerungen und durch kaltes graues Wasser. Langsam werden die Gänge breiter und höher, und unsere Schatten an der Wand wirken nicht mehr geduckt.
    Wir seilen uns in einen Schacht ab und waten durch einen größeren Abwasserkanal weiter. Hin und wieder rutschen wir Zementrampen hinunter und plantschen durch zentimeterhohes, stinkendes Wasser. Manchmal sind wir so dicht unter der Oberfläche, dass blasse Lichtstrahlen durch eiserne Gitter fallen.
    Ich versuche, mir vorzustellen, wie das Lösegeld in Form der versiegelten Plastikpäckchen durch diese Tunnel und Wasserfälle getragen wurde.
    Wir gehen, kriechen und rutschen eine Stunde lang weiter, bis wir schließlich in einem höhlenartigen viktorianischen Backsteingewölbe mit Säulen und Bögen ankommen. Es ist mindestens zehn Meter hoch, obwohl sich das in der Dunkelheit nicht genau sagen lässt. Zu meinen Füßen brodelt das weißlich grüne Wasser eines Wasserfalls. Von der Decke hängen verrostete Eisengitter und lange Ketten herab. Ein Betonwehr mit zwei großen Ablaufrinnen teilt den Raum, darüber unterbricht ein großer Durchlass den Strom und fängt schäumende Abfälle auf.
    Am Fuß des Betonwehrs erstreckt sich ein großes leeres
Betonbecken mit riesigen, aufklappbaren Stahltoren, Gegengewichte an der Oberseite drücken die Tore wie Hebel zu.
    Angus sitzt auf dem Rand der Abflussrinne, zieht ein Sandwich aus der Tasche und wickelt es aus seiner Plastikverpackung.
    Mit dem Brot in der Hand weist er auf den Kanal. »Das dort drüben ist der untere Auffangkanal. Er beginnt in Chiswick und verläuft unter dem Thames Embankment in östlicher Richtung bis zur Pumpstation in Abbey Mills im Osten von London. Von hier wird alles zum Klärwerk umgeleitet.«
    »Und wozu das Auffangbecken?«
    »Für heftigen Regen. Wenn es in London richtig schüttet, kann das Wasser nur durch die Kanalisation abfließen. Tausende Kilometer kleiner Kanäle münden in die Hauptabwasserkanäle. Erst gibt es einen Windstoß und dann ein Rauschen!«
    »Ein Rauschen!«, sagt Moley wie ein Echo.
    Angus pickt die Krümel von seiner Brust. »Das System kann nur eine begrenzte Menge Wasser aufnehmen. Und einen Rückstau sollte man vermeiden, sonst stehen die Politiker in Westminster knietief in der Scheiße. Und zwar buchstäblich. Wenn der Wasserpegel also eine bestimmte Höhe erreicht hat, überflutet er das Wehr und wird durch diese Tore abgeleitet.« Er zeigt auf die riesigen Eisentore, von denen jedes ungefähr drei Tonnen wiegen muss. »Wenn das Wasser über das Wehr flutet, öffnen sie sich wie ein Ventil.«
    »Und wohin fließt das Wasser?«
    »Mit einer Geschwindigkeit von gut zehn Knoten direkt in die Themse.«
    Plötzlich tritt ein neues Szenario vor meine Augen und umweht mich mit dem Geruch von Mandeln. Der Vorarbeiter von Thames Water hatte berichtet, dass es das Rohr regelrecht »zerfetzt« hatte und dass eine gewaltige Flut ausgelöst worden sei. Das hätte zunächst einmal alle davon abgehalten, das Lösegeld weiterzuverfolgen, aber es hätte

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