Amnion 1: Die wahre Geschichte
Hyland geradewegs in die DelSek. Sein Bluff hatte sich bewährt.
In Wirklichkeit verspürte er gar keinen Wunsch, Mallory’s Bar & Logis aufzusuchen. Er hatte ausschließlich den Wunsch, die Luken dichtzumachen und Morn zu ficken, bis sie nur noch flennte. Noch bestand die Gefahr, daß sie seiner Herrschaft entglitt, und eigentlich riskierte er es ungern, mit ihr in der Öffentlichkeit umherzulaufen. Aber er wußte, man würde ihn noch geraume Zeit unter Observation halten; wenigstens bis Inspektoren vom Wrack der Stellar Regent zurückkehrten. Darum bewertete er es als wichtig, ein durch und durch normales Auftreten an den Tag zu legen. ›Normal‹ hieß in diesem Fall, sich in Mallory’s Bar & Logis blicken zu lassen, wo er Informationen auszuhandeln versuchen konnte, die er brauchte, um an Geld zu gelangen.
Schon seit einiger Zeit beschritt er den Weg zu seinem Verhängnis. Von nun an kam sein Verhängnis ihm entgegen.
Obwohl Morn sich in der DelSek nicht auskannte, hielt Angus sich einen halben Schritt hinter ihrer Schulter, um sie im Blickfeld zu haben. Gleichzeitig in euphorischer und ängstlicher Stimmung, auch voller tyrannischer Besitzgier und zorniger Gewaltneigung, bemerkte er, wie buchstäblich jeder Mann, an dem sie vorbeigingen, sie anstarrte; er bemerkte es und haßte diese Männer allesamt für ihr Gaffen. Auf ähnliche Art, wie er Rache an der Stellar Regent geplant hatte, weil er sich von ihr aus der KombiMontan-Station verjagt fühlte, grübelte er jetzt an hochkomplizierten, unverwirklichbaren Intrigen, die alle diese Schweinsnasen lehren sollten, ihn zu fürchten. Vielleicht konnte er ein Anrecht auf das Wrack der Stellar Regent geltend machen. Morns Id-Plakette mit den darauf gespeicherten VMKP-Daten mochte ihm diese Möglichkeit eröffnen. Mit dem Geld aus dem Schrottverkauf ließe sich die Strahlende Schönheit reparieren, sogar umbauen, in einen besseren als den vorherigen Zustand bringen. Dann wäre er unbezwingbar. Er könnte alles treiben, was er wollte.
Tagträume dieser Art halfen ihm dabei, die verhaßten Menschenansammlungen in der DelSek und bei Mallory zu ertragen.
Natürlich hatte er auch etwas gegen Mallory’s Bar & Logis. Aber er nistete sich lieber dort als in sämtlichen sonstigen Absteigen ein. Die Trinker, Illegalen und Heruntergekommenen, die dort lungerten, wußten im Durchschnitt mehr und scherten sich um weniger als die übrigen Leute in der DelSek. Wenn sie ihm übelwollten, dann in Beziehungen, die er zu durchschauen verstand. Aus diesem Grund ging von ihnen geringere Gefahr aus, als sie sich einbildeten.
In der Stationsschwerkraft – ungefähr 0,9 Ge – fühlte Angus sich bleischwer und aufgedunsen; er hatte keinerlei Laune zum Trinken. Sein Bluff war ihm gelungen. Aber jetzt lauerte jeder in der KombiMontan-Station darauf, daß ihm ein Fehler unterlief und man ihn einkassierte; alle Inspektoren, der gesamte Sicherheitsdienst, jeder Prospektor oder Kosmoskumpel, der sich je im Asteroidengürtel betätigt hatte, jeder Gast bei Mallory, der seine Reputation kannte und ihm mißtraute. Und Morn schritt aus, als wäre die Schwere für sie keine Last, als trüge trotz der vielerlei Vorgehensweisen, mit denen man ihm Beschwerden bereiten konnte, ihr Körper leicht an der Schönheit. Alle diese Männer lechzten nach Morn. Sie wollten sie ihm wegnehmen.
Er hatte sich bei aller Memmenhaftigkeit längst in eine Gemütsverfassung der Blutrünstigkeit hineingesteigert, als er bei Mallory durch Lärm und schwülig-dicke Luft Nick Succorso sah.
Augenblicklich hatte er ein Gefühl, als hätte eine Impacter-Ramme seinen Brustkorb getroffen – ein Eindruck, den er als um so häßlicher empfand, weil er sich nichts anmerken, niemanden seine Schwäche sehen lassen, vor all den Zeugen keine Reaktion zeigen durfte.
Er hätte Nick auf alle Fälle unverzüglich als Feind erkannt; er wußte, wie er dies achtlose Grinsen, den scharfen, filibusterhaften, humorigen Blick, der aus Nicks Augen glänzte, die Miene der Überlegenheit zu deuten hatte. Er merkte, daß Nick ihm spontan mit Verachtung begegnete. Er gab eine abstoßende, ziemlich schmuddelige, unglückliche Erscheinung ab, und Nick hatte schon über ihn zu feixen angefangen.
Selbst unter anderen als den jetzigen Umständen hätte Angus außerordentliche Anstrengungen aufgeboten, um Nick Succorso zu schaden. So hätte er aus grundsätzlichem, gefühlsmäßigem Habitus gehandelt, aufgrund ähnlicher Anwandlungen wie der
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