Amnion 1: Die wahre Geschichte
legte. Hätte nicht der Sitz einen Teil der Wucht gemildert, wäre sie wohl ohnmächtig geworden. Vielleicht hätte er ihr sogar das Genick gebrochen.
»Gemeines Weibsstück! Mein Schiff gebe ich niemals auf.«
Morns Wange schwoll rot an; Blut rann aus den Platzwunden, die die Zähne ihr im Mund verursacht hatten. Schmerz und Schreck machten ihre Augen glasig; einen Moment lang blieb ihr Blick getrübt.
Aber sie verzichtete auf jede Verteidigung. Falls er sie noch einmal schlagen wollte: sie hielt still.
Doch Angus brachte es nicht über sich; er fühlte sich dabei, als ob er die Strahlende Schönheit traktierte. Für so etwas zeichnete zuviel Wundervolles sie aus. Der Anblick des hellroten Rinnsals Blut auf ihrer zarten Haut zerriß ihm schier das Herz. Er brauchte seinen Grimm, die Brutalität; beides jedoch hatte sich inzwischen verflüchtigt.
»Nun hörst du mal mir zu«, keuchte er, so daß es wie Stöhnen klang. »Es ist undurchführbar. Damit kämst du nicht durch. Kann sein, du könntest glaubhaft machen, du hättest mir befohlen, die Anweisungen der Stationszentrale zu mißachten, um Nick Succorso zu jagen. Aber weiter würde man dir nichts glauben, solange du keine Klage einreichst. Tätest du’s nicht, war’s vorbei mit deiner Glaubwürdigkeit. Dann steckst du in der gleichen Scheiße wie ich. Nur fiele dann darüber hinaus der Verdacht auf dich, die Stellar Regent vernichtet zu haben. Falls man Beweise für die Selbstzerstörung entdeckt, kommst du vor Gericht. Wenn man das Z-Implantat und das Kontrollgerät bei dir entdeckt, bist du so gut wie tot. Du müßtest also Klage einreichen. Dafür wiederum brauchtest du meinen Data-Nukleus. Sonst hättest du keine Beweise.«
Die Beschlagnahme des Data-Nukleus mochte er überleben – das Leben könnte er möglicherweise behalten, wenn auch nicht die Freiheit –, aber das wußte Morn nicht. Und es graute ihn vorm Gefängnis. Eingesperrtsein allein wäre vielleicht sein Ende.
»Das Ergebnis deines schlauen Plans wäre mein Tod. Und selbst dann fände man das Z-Implantat und das Kontrollgerät. Du solltest mal richtig darüber nachdenken. Nach dem, was hinter dir liegt, stünde dir garantiert ’ne ärztliche Untersuchung bevor. In dieser Hinsicht ließe man dir gar keine Wahl. Eine Weigerung müßte auf Argwohn stoßen, und man würde dich zwingen. Egal was du unternähmst, der Schlußstrich wäre die Todesstrafe. Du wirst die Sache schon so mitspielen müssen, wie sie jetzt ist. Ich versuche auch dein Leben zu retten.«
Nun vermochte er ihren stumpfen Blick, in dem Trotz schwelte, nicht mehr zu erwidern. Langsam kehrte er zu seinem Sitz zurück. Er schnallte sich wieder an. Seine Bewegungen gerieten eckig, so ruckhaft, als hätte er keine volle Beherrschung seiner Gliedmaßen mehr, als könnte er selbst ein Z-Implantat gebrauchen.
»Wir haben ’ne durchlöcherte Triebwerksdüse«, brummelte er. »Ich werde alles tun, was ich kann, um geradeauszufliegen. Das Restliche mußt du übernehmen.«
Während er vor sich hinstierte wie ein Verdammter, übertrug er den Großteil der Steuerungsfunktionen Morns Konsole. Dann konzentrierte er sich mit aller Entschlossenheit, über die er noch verfügte, auf das Vorhaben, die Strahlende Schönheit in die Richtung zu lenken, in die er zu fliegen beabsichtigte. Er unterstellte, daß Morn das Ihre leistete. Welche Alternative hätte sie denn?
Aber er wußte auch, was er ihr eben angetan hatte. Ihre letzte Hoffnung hatte er zunichte gemacht. Und nach all der zwischenzeitlichen Verträglichkeit hatte er sie wieder geschlagen; nachdem seine zeitweilige Sanftheit sie fast davon überzeugt hätte, er könnte mit sich reden lassen.
Bezüglich der Folgen erlag er keiner Selbsttäuschung.
Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als auf seinen Untergang hinzuwirken.
16
Zwei Tage und etliche Stunden nach ihrem Abflug tuckerte die Strahlende Schönheit zurück in die Reede der KombiMontan-Station.
Der Flug hatte länger gedauert und mehr Schwierigkeiten bereitet, als Angus je hätte voraussehen können. Zum erstenmal, seit Morn für ihn als Crewmitglied arbeitete, hatte er, um wachzubleiben, Medikamente nehmen müssen.
In der Tat griff Morn selbst auf Wachhaltemittel zurück. Die Aufgabe, die Funktionstüchtigkeit der Bordsysteme zu sichern, während Angus das Raumschiff steuerte, beanspruchte sie nicht so stark, daß es ihre Kräfte erschöpft hätte, aber seine Weigerung, Pausen einzulegen, führte bei ihr zu
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