Amnion 2: Verbotenes Wissen
müssen Sie, vorgeblicher Human-Kapitän Nick Succorso, einen Deziliter Ihres Bluts spenden. Nachdem das geschehen ist, wird Ihnen eine Kredit-Obligation übergeben und der Fötus des weiblichen Menschen zu physischer Reife gebracht. Danach werden Sie an Bord der Käptens Liebchen zurückkehren. Wir verlangen Bestätigung.«
»Gib sie ihnen«, sagte Nick gepreßt zu Mikka.
»Ihre Luftschleuse darf nun geöffnet werden«, informierte Station Potential das Raumschiff.
Nick schaute Morn an. »Fertig?«
Statt zu schreien, nickte sie lediglich.
»Mikka«, sagte Nick in den Interkom-Apparat, »ich schalte auf Helmfunk um. Achte darauf, daß Scorz alles richtig macht.«
Er schloß die Helmscheibe, verriegelte sie und aktivierte die Anzugsysteme. Als Morn seinem Beispiel gefolgt war, führte er schon ein Gespräch mit dem Kommunikatoren-Zweitoperator.
»Wie ist der Empfang, Scorz?«
»Klar und deutlich, Nick.«
»Mikka, hörst du mich auch?«
»Du bist auf Sendung«, antwortete Mikka unwirsch. »Jeder kann dich hören.«
»Morn?« fragte Nick.
»Ich auch.« Morns Stimme klang in ihren eigenen Ohren ebenso überlaut wie dumpf, weil sie in der Enge des Raumhelms hallte und gleichzeitig das Gesäusel der Luftzufuhr sie durchzischelte.
»Gut. Wenn du bloß ein Wort versäumst, Scorz, schneid ich dir die Eier ab und verkauf sie an die Amnion. Und paßt auf wegen etwaiger Störsender. Mikka, sobald sie’s damit versuchen, holst du uns raus.«
»In Ordnung«, sagte Mikka. »Wir gehen jetzt.«
Flüchtig zögerte Nick. »Gebt gut auf uns acht«, fügte er dann hinzu.
»Vertrau mir«, erwiderte Mikka so grob, als wäre die Ermahnung eine Beleidigung gewesen.
»Wenn’s sein muß«, meinte Nick. »Komm, Morn.« Er stand schon an der Tür, durch die man aus der Kammer mit den Anzugschränken in den Gang zur Luftschleuse gelangte. »Bringen wir’s hinter uns.«
Die Andeutung von Streß, die in seinem Tonfall anklang, scheuchte Morn in Bewegung. Sie folgte ihm so benommen, daß sie sich gar nicht mehr sicher war, was sie tat.
Sie spürte im verschlossenen EA-Anzug einen Moment lang ein Schwindelgefühl, ein kribbeliges Rumoren in der Magengrube. Die polarisierte Plexulose der Helmscheibe schien ihr Blickfeld zu brechen, Nicks Umrisse zu verzerren, zu bewirken, daß sich die Wände herabbeugten. Aber sie wußte aus Erfahrung, die Gewöhnung würde diese Eindrücke rasch vertreiben.
Sie jedoch nicht vor dem bewahren, was sie zu sehen bekommen sollte.
An der Kontrolltafel der Luftschleuse vergewisserte Nick sich, daß die Schleusenkammer dicht versiegelt war, ehe er die Codesequenz eintippte, die beide Pforten öffnete. Er nahm Morn am Arm und zog sie mit sich in die Schleuse.
Die Schleuse war groß genug, um darin die halbe Crew der Käptens Liebchen aufzustellen. Nick ging an die innere Kontrolltafel und veranlaßte das Schließen der Pforten. Sofort leuchtete ein Warnlämpchen, zeigte an, daß Mikka das Raumschiff hermetisch versiegelt hatte.
Nick tippte weitere Tasten, und die Außenpforte glitt beiseite.
Am anderen Ende des stationsseitigen Zugangs stand Potentials Schleuse schon offen.
Unmittelbar davor warteten zwei Amnion.
Während Morn zwischen Furcht und Gleichgültigkeit schwankte, als würde sie, ohne einen Laut von sich zu geben, irrsinnig, ließ sie Nick vorausgehen und schloß sich ihm an.
In der Stationsschleuse überquerten sie ein Scanningraster, das eher einem Gewirr von Reben als einem technischen Gerät ähnelte. Man untersuchte sie und Nick auf Waffen und Kontaminationen; dann durften sie passieren. Morn stapfte dahin, als müßte sie sich durch Schlamm vorwärtskämpfen. Jeder Schritt beförderte sie den Amnion und dem Grauen näher.
Sie hätte gerne die Helmscheibe dafür verantwortlich gemacht, wie die Amnion in ihren Augen aussahen; aber daß das nicht ging, wußte sie. Polarisation und Plexulose hatten nichts mit dem Grausen zu tun, das ihr Herz statt des Bluts durch den Leib zu pumpen schien, einem Entsetzen, das wirkte, als ob ihr Z-Implantat es zu Klumpen gerinnen ließ.
Die Wächter waren in dem Sinne hominoid, daß sie Arme und Beine, Finger und Zehen, Köpfe und Rümpfe besaßen; damit jedoch endete jede Ähnlichkeit mit dem Homo sapiens. Ihre rassische Identität war eine Funktion der RNS und DNS, keines für die Spezies spezifischen genetischen Codes. Sie spielten mit ihrer körperlichen Form, so wie Menschen es mit Mode hielten, manchmal aus Zweckgerichtetheit, manchmal zur
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