Amnion 2: Verbotenes Wissen
Mund und bleib sitzen«, sagte sie zu Liete. »Ich habe deine Waffe.« Sie hob die Impacter-Pistole. »Ich will dich nicht abmurksen, aber ich dulde nicht, daß du mir dazwischenpfuschst.«
Liete leckte sich über die Lippen und versuchte zu schlucken, doch ihr Gaumen war zu trocken. Einen Augenblick später nickte sie.
Jetzt.
Morn aktivierte die Interkom.
»Nick, hier ist Morn. Ich bin in der Hilfssteuerwarte.«
»Morn, du…«, setzte Nick zu einer Entgegnung an.
Sie unterbrach ihn. »Ich habe mir den Selbstvernichtungsbefehl nach hier herübergelegt. Er ist vorbereitet und ausführungsfertig. Und ich habe deine Prioritätscodes gelöscht. Du kannst keine Korrektursteuerung vornehmen. Wenn du nichts vermasselst, besteht ’ne Chance, daß wir alle mit dem Leben davonkommen. Ich werde sogar sicherstellen, daß du bei den Amnion deine Glaubwürdigkeit behältst. Aber du hast meinen Sohn verschachert, und das lasse ich nicht zu. Wenn du dich mir querlegst, werden das Raumschiff und der größte Teil Station Potentials zu atomarem Staub zerpulvert.«
Das Z-Implantat ermöglichte es ihr, sich auf so viele verschiedene Angelegenheiten wie nötig zu konzentrieren. Während sie sprach, traf sie ihre letzte Maßnahme, indem sie einen zweiten Stapelbefehl eintippte.
Dieser Befehl galt nur für ihre Kontrollkonsole. Nach Eingabe brauchte sie lediglich eine Taste gedrückt zu halten, um das Bordchronometer auf ihrem Bildschirm wiederzugeben, und falls ihr dann etwas zustieße – aus irgendeinem Grund ihr Finger sich von der Taste entfernte –, erfolgte automatisch die Ausführung des Selbstvernichtungsbefehls, explodierte die Käptens Liebchen innerhalb von Millisekunden.
»Isoliert sie!« schrie Nick irgend jemand zu. »Sperrt der Hilfssteuerwarte den Strom! Versucht’s mit Korrektursteuerung, ihr müßt euch die Funktionen eurer Kontrollkonsolen zurückholen!« Er hämmerte so gewaltsam auf seine Tastatur ein, daß Morn das Geklapper durch die Interkom hörte, es seinen Wutanfall untermalte.
Alles an ihrem Kontrollpult blieb unverändert. Nichts focht ihre Alleinverfügung an. »Nick?« fragte sie, obwohl im Plauderton, aus den Abgründen der eigenen Erbitterung. »Möchtest du gar nicht wissen, um was es mir geht?«
»Mikka, nach unten mit dir!« zeterte Nick. »Schneid die Tür auf! Brenn das Weib in Stücke, wenn’s sein muß!« Doch eine Sekunde später überlegte er es sich anders. »Nein, ich mach’s selber. Übernimm du die Brücke. Ich will mein Schiff zurückhaben! Dem Miststück reiße ich mit den bloßen Händen den Arsch auf.«
»Mikka«, sagte Morn, grinste dabei in Lietes Miene des Entsetzens, »er hört nicht auf mich. Vielleicht bist du vernünftiger. Ich habe für die Selbstvernichtung einen Stapelbefehl eingegeben.« Sie sprach die reine Wahrheit. »Er ist mit der Bordchronometer-Funktion gekoppelt. Mein Finger liegt auf der Taste.« Entschlossen drückte ihre Fingerspitze die Taste nieder. »Wenn irgend jemand mich angreift oder bedroht – oder nur erschreckt –, und mein Finger sich von der Taste hebt, explodiert das Raumschiff. Ihr könnt’s nicht verhindern. Ihr habt keine Korrektursteuerungsmöglichkeiten mehr. Und Nicks Prioritätscodes habe ich tatsächlich gelöscht.« Eine Lüge mehr oder weniger hatte für sie keine Bedeutung mehr. Sollten sie sich ruhig fragen, ob sie so ausgezeichnete Programmierfähigkeiten hatte. »Es wäre besser, du machst ihm das klar. Er führt sich ja auf, als wollte er’s aufs Schlimmste ankommen lassen.«
»Morn!« Die Stimme der Ersten Offizierin gellte aus der Interkom. »Um Gottes willen, was hast du eigentlich vor?«
Uns alle zu retten. Ob du es glaubst oder nicht. Sogar den süßen, kleinen, beschissenen, vorgeblichen Human-Kapitän Nick Succorso.
»Hört ganz einfach zu«, antwortete Morn. »Ihr könnt die Kommunikation nicht sabotieren, also hört wenigstens zu. Noch einen Moment, und ihr wißt Bescheid.«
Unter anderem auch darüber, warum ihr vermeiden müßt, daß Nick versucht, sich an mir zu vergreifen.
Sie ließ den Interkom-Apparat in Betrieb. Ein Teil ihres Hirns nahm das fortgesetzte Stimmengewirr, das sie von der Brücke erreichte, zur Kenntnis: Malda Verones Schrecken, Carmels Zorn, Sib Mackerns zusammenhangloses Aufbegehren, Linds Neigung zum Durchdrehen. »Komm da raus, Vector, bitte komm da raus«, wimmerte Lumpi immer wieder, als wäre nur der Aufenthalt in der Nähe der Antriebsaggregate die Gefahr, die Shaheed drohte.
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