Amnion 2: Verbotenes Wissen
Aber nichts von alldem kümmerte Morn. Wie lange mochte Nick brauchen, um sich ein Laserschweißgerät und eine Waffe zu schnappen und vor der Hilfssteuerwarte anzugelangen?
Nicht einmal das scherte Morn noch. Indem sie ein paar Tasten ihres Kontrollpults drückte – und währenddessen die Taste mit der Bordchronometer-Funktion niederhielt –, stellte sie Kontakt zu den Amnion her. »Station Potential, hier spricht Morn Hyland. Ich bin die Mutter des Menschen, den Sie vorhin aus der Käptens Liebchen abgeholt haben. Ich will meinen Sohn wiederhaben.«
Eine Antwort blieb aus.
Möglich war, daß man sie auf Potential nicht hörte, daß sie irgendeinen Fehler begangen oder die Station mittlerweile den Empfang abgeschaltet hatte; daran jedoch glaubte Morn schlichtweg nicht, sie erübrigte dafür keinen einzigen Gedanken. Ihre extreme Entschiedenheit und die künstlich geweckten Kräfte erfüllten sie mit unbeschränkter Gewißheit.
»Station Potential, ich habe das Raumschiff in meine Gewalt gebracht. Ich habe unter Einbindung beider Antriebe, des Brennstoffs sowie der Waffensysteme eine Selbstvernichtungsschaltung installiert. Sie wissen genug über unsere Technik, um sich denken zu können, welche Schäden eine Explosion anrichten würde. Es wäre mit der Zerstörung von voraussichtlich fünfundzwanzig bis vierzig Prozent der Station zu rechnen. Wenn Sie mir meinen Sohn nicht zurückgeben, löse ich unsere Vernichtung aus.«
Noch immer kam keine Antwort.
Morn kicherte, als wäre sie im Delirium. »Station Potential, wenn Sie keine Stellungnahme abgeben, muß ich davon ausgehen, daß Ihre Antwort negativ ausfällt, und dann sehe ich keinen Grund mehr zum Weiterleben. Kapitän Succorso wird mich auf alle Fälle töten, wenn Sie es nicht tun. Ich lasse Ihnen noch fünf Sekunden Zeit. Von jetzt an. Fünf…« Mit einer Stiefelspitze tappte sie den Takt der Sekunden. »Vier… drei…«
»Station Potential an vorgeblichen Human-Kapitän Nick Succorso«, sagte die gefühllose Stimme der Amnion-Autoritäten. »Was geschieht an Bord Ihres Raumschiffs? Antworten Sie unverzüglich. Wir beobachten Falschheit. Ist es Ihre Absicht, die wechselseitige Erfüllung der Ansprüche zu stornieren?«
O ja, hier liegt Falschheit vor, ganz richtig. So sind Menschen nun einmal. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was für ein Ausmaß an Falschheit hier herrscht.
»Station Potential«, meldete Mikka sich hastig, »hier spricht die Erste Offizierin Mikka Vasaczk. Kapitän Succorso steht momentan nicht zur Verfügung. Er versucht einen Weg zu finden, um Morn Hyland unschädlich zu machen. Was sie sagt, ist wahr. Sie hat die Kontrollfunktionen der Brücke stillgelegt und übt gegenwärtig die gesamte Kontrolle per Hilfssteuerwarte aus. Unsere Instrumente zeigen an, daß sie wirklich eine Selbstvernichtungsschaltung installiert hat.« Offenbar kannte auch Mikka die Bereitschaft zum Lügen.
»Sie hat sozusagen das gesamte Raumschiff in eine Bombe umgebaut und den Finger schon auf dem Zünder. Wir bitten Sie dringend, ihr zu antworten. Geben Sie ihr keinen Vorwand zum Auslösen der Explosion. Sie ist die Mutter der Ihnen überstellten Person. Ihr Verlust hat sie wahnsinnig gemacht. Sie bringt uns alle um, wenn Sie nicht wenigstens mit ihr reden.«
Schön, Mikka, dachte Morn, das ist ein Pluspunkt für dich. Nick mag ausgeklinkt sein, aber zumindest du behältst kühlen Kopf.
»Morn…« Durch den Interkom-Apparat klang Vectors Stimme gepreßt, beinahe furchtsam. »Christus auf Krücken, Frau, was denkst du dir eigentlich dabei?«
Gut. Vector war wieder zur Stelle. Er hätte nicht mithören können, was vorging, wäre er nicht schon mit dem Einbau der von den Amnion gelieferten Ersatzteile und Adapter fertig, nicht inzwischen aus den Maschinen gestiegen wäre, um die Antriebsaggregate zu testen.
»Vector«, sagte Morn zu ihm, »es hängt alles am seidenen Faden. Kann sein, wir stehen diese Sache durch, vielleicht nicht. Im Moment bin ich mir nicht sicher, ob’s mich überhaupt interessiert, was dabei herauskommt. Aber ich glaube, es dürfte günstiger sein, du machst den Ponton-Antrieb bereit, so schnell es geht. Falls mein Ultimatum Erfolg hat, müssen wir schleunigst von hier verschwinden.« Nur um die Nervosität aller Zuhörer noch zu verstärken, fügte sie hinzu: »Wie gut bist du darin, bei Nullgeschwindigkeit in die Tach zu wechseln?«
Falls er etwas antwortete, bekam sie es nicht mehr mit. Statt dessen hörte sie ein
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