Amnion 2: Verbotenes Wissen
widersprach, die der Data-Nukleus der Strahlenden Schönheit gegen ihn geliefert hatten.
Niemand erfuhr von ihm, daß der Data-Nukleus der Strahlenden Schönheit von ihm überarbeitet worden war; daß er über die Fähigkeit verfügte, im Data-Nukleus eines Raumschiffs Informationen nachträglich zu verfälschen.
Möglicherweise hatte keine der Personen, die sich damit beschäftigten, ihn umzubauen, zu trainieren und zu verhören, wirkliche Klarheit über Angus’ Gefährlichkeit. Ihre Technik hatte ihn in der Gewalt; sie vermochte er nicht abzuschütteln; deshalb erachteten sie den Umgang mit ihm als risikofrei.
Weil man in ihm kein Risiko sah, nahm das Gelatsche durch seine Unterkunft ständig zu; immer mehr Leute kreuzten auf, um sich ihn anzuschauen: durch berufliche Neugierde angelockte Techniker verwandter Fachgebiete; Ärzte und andere Spezialisten, die ihn einmal mit eigenen Augen zu observieren wünschten; Personal aller Art, das an nichts anderem Interesse hatte, als einen Blick auf Hashi Lebwohls Lieblingsillegalen werfen zu dürfen. Allem Anschein nach beachtete Angus sie allesamt gar nicht. Die alte, eingefleischte Bosheit seiner Augen hatte er nach innen gekehrt. Soweit es sich überhaupt durchhalten ließ, ignorierte er alles, was keine Anweisung oder Frage war und ohne Zwang oder Druck einherging.
Trotzdem fiel es ihm unverzüglich auf, als Hashi Lebwohl persönlich, Direktor der Abteilung Datenakquisition der VMKP, ihm Besuche abzustatten anfing.
Selbstverständlich hatte er Lebwohl vorher noch nie gesehen. Die Gerüchte, die ihm über ihn zu Ohren gekommen waren, hatten nie Beschreibungen der äußeren Erscheinung Lebwohls umfaßt; eigentlich reichten sie kaum weiter als bis zu der beharrlichen Behauptung, der DA-Direktor sei verrückt – ein gemeingefährlicher Irrer. Angus jedoch war der Auffassung, daß man seinem Besucher augenblicklich ansehen könnte, um wen es sich handelte.
Ganz im Gegensatz zu den reinlichen Ärzten und säuberlichen Technikern trug Lebwohl an seiner mageren Gestalt über unpassend zusammengestellter Kleidung wie ein Erkennungszeichen einen übel schmuddligen Laborkittel. An seinen altmodischen Schuhen schleifte jedesmal ein Schnürsenkel nach. Eine Brille mit zerkratzten, schmierigen Gläsern rutschte ihm ständig auf die Nasenspitze; die Augen darüber hatten das Blau eines unverschmutzten Himmels. Seine Brauen zuckten nach allen Seiten, als wären sie mit Statik aufgeladen. Aber trotz allem, obwohl er den Anschein erweckte, gerade aus einem Klassenzimmer zu kommen, in dem er zu Unterrichtszwecken mit Kindern aus den irdischen Slums im Clinch lag, begegneten alle Leute ihm mit höchstem Respekt. Beim Vorübergehen machten die Menschen einen weiten Bogen um ihn, als hätte er eine Aura, die sie abwiese.
Intuitiv erkannte Angus, daß dieser Mann die Verantwortung für das hatte, was mit ihm gemacht worden war – und für womöglich Schlimmeres, das noch bevorstand.
Mehrere Male besuchte Hashi Lebwohl ihn, ohne ein Wort mit ihm zu sprechen. Mit asthmatischer Piepsstimme unterhielt sich Lebwohl mit den Ärzten und Technikern, hatte bisweilen an sie Fragen, unterbreitete ihnen gelegentlich Vorschläge, die offenbarten, wie fundiert er über ihre Arbeit Bescheid wußte. Aber zu Angus sagte er nichts; bis zu dem Abend, an dem der Direktor, nachdem die Physiotherapeuten Angus als fit für das erklärt hatten, was die VMKPDA mit ihm vorhaben mochte, ihn nochmals besuchte.
Der Zeiteinteilung nach war es schon später Stationsabend. Soweit war Angus orientiert, weil der Computer ihm mittlerweile einfache, situative Fragen beantwortete, wenn nicht wichtigere Funktionen ihn beanspruchten; und weil die Techniker angeordnet hatten, den Tagesanzug aus-, den Labor-Pyjama anzuziehen und ins Bett zu gehen. Zwei von ihnen waren noch in seiner Unterkunft anwesend, checkten ein letztes Mal die Apparate, ehe sie ihn schlafen legten. Aber als Hashi Lebwohl eintrat, übergab einer der beiden ihm unverzüglich das wie eine TV-Fernsteuerung üppig mit Tasten bestückte Zonenimplantat-Kontrollgerät. Dann gingen beide Männer hinaus.
Gleichzeitig erloschen an sämtlichen Monitoren die Lämpchen der Statusanzeigen.
Über die Brille hinweg musterte der Direktor Angus. Er lächelte wohlwollend und tippte mit seinen langen Fingern Tasten des Kontrollgeräts.
Wider Willen stieg Angus aus dem Bett und stellte sich, beide Arme nach den Seiten ausgestreckt, als wäre er gekreuzigt, vor
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