Amnion 2: Verbotenes Wissen
können.
Damit aktivierte er die Verbindung zwischen seinem Gehirn und dem Computer.
»Da haben wir’s«, sagte eine scheinbar ferne Stimme. »Er ist unifiziert. Nun können wir mit der eigentlichen Arbeit anfangen.«
›Arbeit‹ hieß in diesem Fall intensive medizinische und physiotherapeutische Behandlung, stundenlange Untersuchungen und Tests sowie weitere Vernehmungen. Und bei diesen Vorgängen hatte Angus absolut keine Wahl.
Seine Z-Implantate verliehen den Ärzten die vollständige Herrschaft über seinen Körper. Sie konnten nach Belieben seine Muskeln steuern; ihn dahin bewegen, daß er rannte, kämpfte, Mißhandlungen erduldete oder Gewichte stemmte; erst recht also dazu bringen, ihre Untersuchungen hinzunehmen. Naturgemäß empfand er infolgedessen Entsetzen und Zorn. Dennoch bevorzugte er es, nachdem er erkannte, wie vollkommen sie ihn in der Gewalt hatten, ihre Anweisungen auszuführen, ehe sie auf die Repressionen des Z-Implantats zurückgriffen. Für ihn bedeutete die Drangsal der Nötigung etwas Schlimmeres als die Demütigung des Gehorsams. Folgsamkeit ließ ihn lediglich vor Erbitterung und Rachgier aufheulen; Hilflosigkeit jedoch wiederbeschwor seinen Alptraum.
Die Ärzte wußten nicht, weshalb er herumheulte.
Auf ihren Anzeigen sahen sie den Grad seiner neuralen Aktivitäten, aber interpretieren konnten sie ihn nicht. Darum ergänzten sie die Programmierung seines Computers, so daß er auf diesen neuralen Aktivitätsgrad achtete und ihn als Gefahrenzeichen auffaßte. Überschritten Angus’ neurochemische Abläufe und Schwankungen bei Zugrundelegung bestimmter Parameter gewisse Spitzenwerte, sollte der Computer die Z-Implantate anwenden, um die Symptome zu dämpfen. Doch solang Angus sich fügsam betrug, ließen sie das Innenleben seines Schädels in Ruhe.
Anders ging es bei den Vernehmungen zu.
Mit den Verhören, denen er durch Milos Taverner und dem Sicherheitsdienst der KombiMontan-Station unterzogen worden war, hatten sie keinerlei Ähnlichkeit. Die Befragung geschah auf rein psychischem Weg. Es brauchte, während Angus’ Computer die Fragen stellte, nicht einmal ein Mensch zur Überwachung anwesend zu sein. Der Computer entlockte Angus ganz einfach Antworten und speicherte sie.
Er bewältigte diese Aufgabenstellung mittels einer schlichten und doch raffinierten Anwendung wechselweiser Schmerz- und Lustreizung. Während das Befragungsprogramm lief, weitete sich in Angus’ Kopf eine Fuge, durch die ein Komplex von Restriktionen und Okkasionen in seinen Geist eindrang. In seiner Vorstellung glichen sie einem Labyrinth, durch das man Laborratten schickte, obwohl die ertastbaren Wege und spürbaren Wände keine materielle, ja nicht einmal sichtbare Natur hatten. Verstieß er gegen die Restriktionen, erfolgte eine Stimulierung seiner Schmerzzentren; genügte er den Possibilitäten, durchflutete ihn ein Lustgefühl.
Natürlich betrafen die Restriktionen nicht den Inhalt seiner Auskünfte, sondern die physiologischen Aspekte ihrer Wahrheitstreue.
Wäre es ihm möglich gewesen, zu lügen, ohne daß man ihm irgendwelche Zeichen der Unehrlichkeit anmerkte, hätte der Computer seine Antworten nicht beanstandet. Aber sein Computer und die Zonenimplantate beobachteten gründlich und genau die physischen Begleiterscheinungen. Sie konnten sogar Hormonschwankungen verzeichnen, in der Funktion seiner Synapsen zwischen Noradrenalin und Catecholamin unterscheiden. Folglich entdeckten sie sämtliche Lügen Angus’.
Für lange Zeit, glaubte Angus seinem Empfinden nach, sträubte er sich gegen die Befragungen – ein, zwei, vielleicht drei Tage hindurch. Der Computer dominierte seinen Geist nicht in ähnlichem Umfang wie seinen Körper; er war lediglich zur Druckausübung imstande, dagegen zu keinen Zwangsmaßnahmen. Und gegen Druck hatte Angus sich seit jeher zu wehren verstanden. Milos Taverner jedenfalls hatte ihn nicht kleingekriegt. Indem er die Zähne zusammenbiß, unversöhnlich fluchte und säuisch schwitzte, versuchte Angus den Vernehmungen zu widerstehen, als wären sie nichts als durch eine zu unverträgliche Kombination von Stimulantien und Kat hervorgerufene psychotische Episoden; als wären ihre Schrecken ihm seit langem vertraut und daher verkraftbar.
Zu seinem Unglück ließ sein Fleisch ihn im Stich.
Im Gegensatz zu seinen physiotherapeutischen Behandlungssitzungen, die seine geistige Unterordnung verlangten, hatten die Befragungen eine körperliche Nachgiebigkeit zum
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