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Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Ende stand, hatte sie nichts mehr zu verlieren.
    Sie befand sich in einem Zustand beinahe gänzlicher innerer Ruhe, als sie inmitten der anderen Mitglieder von Mikkas Schicht ihren Posten besetzte. Die Alpträume hatten sie ausgezehrt, jedoch gleichzeitig ihren Gefühlshaushalt erschöpft; bis auf weiteres kannte sie keine Furcht mehr. Hinter der Fassade der Arbeiten, die Nick und Mikka durchgeführt haben wollten, beschäftigte sie sich heimlich mit dem Wartungscomputer der Käptens Liebchen.
    Das Schloß ihrer oder Davies’ Tür traute sie sich nicht anzutasten: Sie täte damit etwas zu Naheliegendes, Nick oder Mikka würden sie dabei bestimmt erwischen. Doch was die Interkommunikation anging, waren sie vielleicht unvorsichtiger…
    Während sie ihre insgeheime Betätigung mit wiederholten Materialbelastungsreports und archivierten Hyperspatium-Untersuchungen tarnte, schuf sie eine direkte Verbindung zwischen ihrer und Davies’ Kabine und schaltete den Kontakt ein. Das war riskant. Falls Nick ihre Kabine betrat, konnte Davies alles hören, was er redete; sollte Davies einen Laut von sich geben, mußte Nick ihn hören. Morn fand sich mit diesem Risiko ab, weil sie keine Alternative hatte. Sie mochte irrsinnig sein und vor dem Ende stehen, aber zumindest wollte sie eine Gelegenheit haben, um mit ihrem Sohn zu sprechen.
    Freilich galt es auch die Gefahr einer Unansprechbarkeit Davies’ zu beachten…
    Sie mochte durchaus der Fall sein. Man hatte ihn eingesperrt, alleingelassen in der grundlegenden Konfusion bezüglich seiner Identität. Darüber hinaus umfaßte seine Wirrnis mehr als lediglich psychische Verstörung: Er war in einem Zustand von hormonellem Chaos. Im Ergebnis seiner unnachvollziehbaren Entwicklung vom Fötus zum jungen Mann – und von der artifiziell gesteigerten Sexualität seiner Mutter zur eigenen Männlichkeit – mußte seine körperliche Befindlichkeit erheblich aus dem Gleichgewicht geraten sein.
    Diese Art von Zumutungen konnte ein Mensch nicht verkraften. Sie seien dafür nicht gestaltet, hatten die Amnion gesagt. All die Jahre der Liebe und Pflege, die die Natur vorsah, konnten Davies, dem sie fehlten, durch nichts ersetzt werden. Ohne diese Jahre gab er eine ähnliche Verirrung ab wie sein Vater.
    Der überstarke Wunsch, ihm zu helfen, verengte Morn die Kehle wie ein angestauter Schrei. Doch sie mußte sich bis zu ihrer Rückkehr in die Kabine gedulden.
    Nick begleitete sie jedesmal; und bei jedem Mal hielt er sie an den Armen gepackt, als dächte er, sie könnte weglaufen. Jetzt beunruhigte seine Nähe sie doppelt, weil er hören mochte, daß sie einen eingeschalteten Interkom-Apparat hatte. Aber im Laufe des vergangenen Tages war er gelassener geworden. Er wirkte nicht wie jemand, den Alpträume zermürbten. Und aufgrund des Anflugs auf Thanatos Minor hatte er wohl über Angelegenheiten nachzudenken, die ihn mehr beschäftigten oder befriedigten als Morn. Er sprach kein Wort, während er sie zu ihrer Kabine geleitete. Er schob sie nur hinein und sperrte sie ein.
    Sobald sie allein war, fing sie an zu zittern.
    Unter welchem Streß Davies stand, konnte sie sich nicht einmal vorstellen. Ihr Geist war nicht gerade in seiner natürlichen Verfassung gewesen, als man ihn kopierte. Die Effekte des Z-Implantats mußten außerdem die seinen Neuronen engrammierten, elektrochemischen Informationen abgewandelt haben. Folglich mußte er sich von ihr unterscheiden, obschon jede erlernte Komponente seiner Identität von ihr stammte. Aber machte das ihn stärker oder schwächer? Aus der kurzen Begegnung, die sie mit ihm gehabt hatte, war ersichtlich gewesen, daß in seinem Gedächtnis Lücken klafften. Waren sie nur zeitweiliger Natur? Nutzte ihm in seiner Isolation und Verwirrtheit diese Unvollständigkeit der Erinnerungen oder schädigte sie ihn?
    Mehrere Minuten lang bangte ihr zu sehr vor dem Kommenden, als daß sie ein Wort über die Lippen gebracht hätte.
    Aber Davies brauchte sie. Wenn sie es nicht tat, half ihm niemand.
    Sie ging in die Hygienezelle und trank einen Schluck Wasser, um sich die Stimmbänder zu schmieren. Dann lehnte sie sich neben dem Interkom-Apparat an die Wand. »Davies?« fragte sie so leise, als ob sie sich um Lauscher sorgte. »Kannst du mich hören?«
    Sofort übertrug das Gerät ein Brummen der Überraschung und das Geräusch von Schritten.
    »Faß den Apparat nicht an«, warnte Morn ihn schleunigst. »Ich habe uns ’ne direkte Standleitung geschaltet. Wenn du

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