Amnion 2: Verbotenes Wissen
erst zu ihren Antworten vortasten. »Ich bin keine Expertin für Schnellwachstum-Methoden.« Oder seelische Traumata. »Aber ich glaube, es liegt daran, daß es so scheußliche Erinnerungen sind. Ich will dich nicht anlügen. Was geschehen ist… war grauenvoll.« Um ihr Gemüt gegen ihre Furcht vor den Amnion abzupolstern, hatte sie das Z-Implantat benutzt, damit ihr Entsetzen unterdrückt wurde. Vielleicht war dadurch der Transfer jener Erinnerungen verhindert worden, die sie am stärksten schreckten oder schmerzten.
»Deine Erinnerung«, sagte sie mit soviel Tapferkeit, wie sie aufbringen konnte, »endet an dem Punkt, als bei mir zum erstenmal das Hyperspatium-Syndrom akut geworden ist. Es ist mein Problem« – das stellte sie eilig klar, um ihm keinen Anlaß zur Unruhe zu liefern – »nicht deins. Du hast es nicht. Erstens beruht es nicht auf erblicher Veranlagung. Zweitens hast du das Hyperspatium schon durchquert, und wenn du’s hättest, wäre es höchstwahrscheinlich schon manifest geworden. Ich habe eine seltene Form des Hyperspatium-Syndroms, es bleibt die meiste Zeit hindurch latent. Um akut zu werden, braucht es als Auslöser eine hohe Schwerkraftbelastung. An Bord der Stellar Regent waren wir ihr erstmals ausgesetzt, als wir die Verfolgung der Strahlenden Schönheit aufnahmen. Danach hat sich eine ganze Reihe grauenhafter Vorkommnisse abgespielt. Du solltest froh sein, wenn du dich nie an sie erinnerst.«
»Und sie sind der Grund, warum Nick Succorso dich haßt.« Durch die Interkom klang Davies’ Stimme, als dränge sie vom anderen Ende der Galaxis an Morns Gehör.
»Ja«, bestätigte sie so matt, als raubte seine Äußerung ihr die Kräfte. »Einige von ihnen.«
»Morn, ich muß wissen, was für Dinge das sind.« Unvermittelt merkte man seinem Tonfall Dringlichkeit an. »Kann sein, du bist es, die er haßt, aber ich bin’s, an dem er seinen Haß austobt. Er hat mich den Amnion ausgeliefert. Und jetzt hat er mich eingesperrt, er wartet nur auf die Gelegenheit, mir noch fiesere Sachen anzutun. Ich muß wissen, warum. Sonst kann ich es nicht aushalten.«
Seine Forderung schmerzte Morn stärker, als sie es für möglich erachtet hätte. Er war ihr Sohn; er verkörperte das verbliebene Element der Überzeugungen und Ziele ihres Vaters. Darum würde er nach den Normen über sie urteilen, an denen sie selbst einmal – bis das Hyperspatium-Syndrom und Angus Thermopyle sie tief erniedrigten – ihr Leben orientiert hatte. Ihm die Wahrheit zu enthüllen, mußte sie gründlich beschämen.
Na und? fragte sie sich. Welche Bedeutung kommt dem jetzt noch zu? Säße ich an seiner Stelle, wäre mir genauso wie ihm zumute.
»Weil ich ihn belogen habe«, gab sie, indem sie ihre Seele entblößte, zur Antwort.
»Das ist alles?« fuhr Davies auf, als wäre er sein Vater. »Er haßt dich, weil er von dir belogen worden ist?«
»Ja. Weil ich in einer Hinsicht gelogen habe, die ihn am meisten trifft.« Jedes einzelne Wort schlug Krallen des Kummers und der Zerknirschung in ihr Herz, aber sie zwang sich zum Weiterreden. »Er ist ein innerlich zerquälter Mensch, und das ist etwas, das ich gegen ihn ausgenutzt habe. Er wollte nicht, daß ich dich zur Welt bringe. Also hat er von mir verlangt, daß ich dich abtreibe. Er hätte mich zwingen können. Alles hätte er mit mir machen können. Darum habe ich ihm jede Lüge erzählt, die mir in den Sinn kam, um ihn umzustimmen. Ich habe ihm weisgemacht, du wärst sein Sohn.«
»Aber ich bin’s nicht«, sagte Davies’ aus scheinbarer Ferne. »Mein Vater ist Angus Thermogeil. So hat er ihn genannt. Angus Thermopyle. Der Mann, der die Wühlknappschaft ausgerottet hat.«
Die Interkom dämpfte seinen unausgesprochenen Vorwurf, aber auf Morn wirkte er, als hätte er sie angebrüllt. Du bist Polizistin und hast dich von einem Mann wie Angus Thermopyle schwängern lassen! Ihn hast du für mich als Vater ausgesucht!
Aber ihr Sohn war zu betroffen, um gegen sie Vorwürfe zu erheben. Nichts in ihrem vergangenen Leben konnte ihn irgendwie auf sein Los vorbereiten. »Ist das wirklich die Ursache, warum er dich haßt?« fragte er, als flehte er sie an, etwas Gegenteiliges zu sagen. »Sie sind beide Illegale. Ich habe gedacht, sie wären vielleicht Partner, und mein Vater wäre auch an Bord. Ich dachte, vielleicht käme er irgendwie zu mir…« Davies’ Stimme versagte, als wäre er ein kleiner Bub. »Vielleicht käme er mir zu Hilfe.«
»Nein«, entgegnete Morn kummervoll. »Er
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