Amnion 2: Verbotenes Wissen
Physiosymptome-Stressbelastungsmonitors zu durchschauen vermochte. Dadurch hatte er sich in jemanden verwandelt, den niemand belügen konnte.
Ein sonstiger Zeitgenosse, der andere Ziele anstrebte, andersartigen Dingen Vorrang beimaß, hätte das natürliche Augenlicht um diese artifizielle Funktion ergänzen lassen – wie man es bei Angus getan hatte –, so daß man ihm die Abwandlung nicht angesehen hätte. Anders Dios. Er trug sein verschärftes Sehvermögen zur Schau, als wollte er von vornherein jeden davor warnen, es bei ihm mit Unwahrheiten zu versuchen. Einigen Anekdoten zufolge behielt er die Augenklappe lediglich aus Höflichkeit gegenüber seinen Untergebenen bei, damit ihnen die Aufmerksamkeit des elektronisch-mechanischen Auges kein Unbehagen verursachte. Weitere Gerüchte besagten, er hätte sie, weil er damit um so gefährlicher aussähe. Wieder anderes Gemunkel bestand darauf, darunter verbürge sich kein künstliches Auge, sondern eine Schußwaffe.
Auf jeden Fall bildete die Augenklappe für die Prothese kein Hindernis. Das Material hemmte weder Infrarotwellen noch Impacter-Feuer.
Angus befand sich am Rande zur Hysterie. Aber seine Furcht half ihm beim Ruhigbleiben: Wenn ihn Grausen gepackt hatte, erbrachte er seine Bestleistungen. »Meistens hab ich’s durch Unterbrechung des Scannings gemacht«, antwortete er, als wäre er gänzlich gelassen. »Mein Raumschiff« – bei den Erinnerungen an die Strahlende Schönheit durchzitterten Anklänge des Zorns seine Stimme – »hat einfach nicht alle Ortungsergebnisse verzeichnet.«
Weil sein Computer nicht mehr darauf programmiert war, ihn zu verhören, ließ er ihm diese Antwort durchgehen.
»Dann wären trotzdem die Lücken feststellbar.« Dios sprach in umgänglichem, aber entschiedenem Ton. Er stieß nie Drohungen aus; dergleichen hatte er nicht nötig. »Ich habe Ihre Vernehmungsprotokolle gerade nicht vor mir liegen«, sagte er zu Milos. »Was haben Sie in seinem Data-Nukleus gefunden?«
Milos Taverner wand sich an seinem Platz wie ein Wurm. Vielleicht weil auch er den VMK-Polizeipräsidenten fürchtete, nahm er die Nik aus dem Mund. »Es sind Defekte entdeckt worden. Wir sind zu der Ansicht gelangt, es handelt sich um Unterbrechungen. Eine bessere Erklärung wußten wir nicht.«
Dios lächelte wie ein Stück Stahl. »Auf alle Fälle machten sie einen zufälligen Eindruck. Ich muß Ihren Weitblick loben, Angus. Ohne diese ›Defekte‹ hätte der Sicherheitsdienst der KombiMontan-Station höchstwahrscheinlich genug Beweise gegen sie gesammelt, um Ihre Hinrichtung zu erwirken. Dann stünde keiner von Ihnen beiden uns jetzt zur Verfügung.«
Abwechselnd glitzerte sein Auge Angus und Milos an. »Wie die Dinge stehen, brauchen wir Sie zwei. Wir brauchen Sie sogar derart dringend, daß Sie schon in etwa einer Stunde abfliegen. Dies ist Ihre letzte, abschließende Einweisung.«
Milos öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich jedoch anders. Statt dessen klemmte er sich die Nik wieder zwischen die Lippen.
»Sie werden von hier aus geradewegs zu Ihrem Raumschiff gebracht«, erläuterte der Polizeipräsident. »Es ist ein Interspatium-Scout der Kompaktklasse. Als Crew sind zwei Personen erforderlich, Platz ist für acht da. Nach den offiziellen Registrierungsdaten ist es unbewaffnet und hat nur hochleistungsfähige Abschirmung und Schutzvorrichtungen. Wir haben aber versteckt ein paar Raffinessen eingebaut, an denen Sie vermutlich interessiert sein dürften. Tatsächlich wissen Sie« – sein Blick traf Angus – »schon alles über das Schiff. Sie könnten es demontieren und wieder zusammensetzen, wenn’s sein müßte. Sie haben aber noch nicht auf die Daten zugegriffen, die Informationen nicht sichten können, weil wir Sie noch nicht in den Namen eingeweiht haben. Es heißt Posaune. Unter dieser Bezeichnung finden Sie eine komplette Datenbank gespeichert.«
Vorsätzlich widerstand Angus der Versuchung, die Daten zu laden und sich die Informationen anzuschauen. Momentan konnte er sich keine Ablenkung gestatten.
»Sie fliegen zur Erledigung Ihres Auftrags ab«, kündigte Dios an, »sobald Sie sich mit der Posaune vertraut gemacht haben. Wie Ihr Auftrag lautet, wissen Sie schon. Das heißt, Sie wissen’s, Milos. Sie, Angus, können fortlaufend Ihrer Programmierung entnehmen, was Sie an Kenntnissen haben müssen. Aber soviel will ich Ihnen schon sagen: Es ist meine Absicht, die Schwarzwerft namens Kassafort auf Thanatos Minor zu
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