Amnion 2: Verbotenes Wissen
wölbte krampfhaft die Schultern, als hätte sie vor, jemanden zu erwürgen. Trotz aller Anstrengungen gelang es ihr nicht, die leichtmütige Gewißheit zurückzuerlangen, die Zielsicherheit einer Selbstmörderin, die sie befallen hatte, als sie entschied, ihren Sohn abzutreiben.
Sie stapfte immer noch in der Kabine umher, als das Türschloß läutete. Wie sie es vorhergesehen hatte, kam Nick sie besuchen. Sie fand kaum genug Zeit, um in die Koje zu springen und die Tasten des Kontrollgeräts zu drücken, bevor die dem Schloß einprogrammierte Verzögerung verstrich und es die Tür öffnete. Infolgedessen war Morn rot angelaufen und außer Atem, als Nick ihr Quartier betrat, als ob sie schon nach ihm lechzte.
Auf den ersten Blick merkte sie, daß er sich seit ihrem Verlassen der Brücke verändert hatte. In den Narben unter seinen Augen pochte nach wie vor das Blut, doch sein Grinsen war verschwunden; seine Aufgeräumtheit war verpufft. Infolge der blauen Flecken wirkte er irritiert und buchstäblich zerschlagen. Anscheinend hatte er irgendwelche Zweifel entdeckt.
Keinen Zweifel, der die Sicherheit oder das Durchbringen der Käptens Liebchen betraf; durch so etwas wäre er im Gegenteil zielstrebiger und wacher geworden, hätte er das Ringen mit härterem persönlichen Einsatz aufgenommen. Es mußte Selbstzweifel sein.
Da er sich bei ihr einfand, mutmaßte Morn, daß dieser Zweifel irgendeinen Zusammenhang mit ihr hatte.
Während die Tür hinter ihm zurollte, blieb er stehen. »Weshalb tust du das?« fragte er in einem Ton, der Zerstreutheit bezeugte.
In Morn schwoll die Lust; sie konnte kaum noch denken. Schon hatte Nicks Veränderung für sie einen verschwommenen Charakter angenommen. »Was tu ich?«
»Warum muß ich fünf Sekunden warten, ehe deine Tür aufgeht?«
Auf diese Frage hatte Morn sich längst gefaßt gemacht. »Weil ich nicht möchte«, antwortete sie mit vor Begehrlichkeit heiserer Stimme, »daß du mich bei« – sie warf einen Blick hinüber zur Hygienezelle – »was Peinlichem antriffst.«
Allem Anschein nach genügte Nick diese Auskunft: Er hatte an der Sache gar kein echtes Interesse. Er überging sie und trat näher. An seinen Seiten bewegten sich seine Finger, krümmten sich ohne seinen Willen zu Klauen und streckten sich wieder, ebenso unwillentlich.
Wäre der Einfluß des Z-Implantats weniger umfassend gewesen, hätte Morn sich jetzt gefürchtet. Unversehens sprang Nick vor, packte Morns Handgelenke, zerrte sie halb von der Koje hoch. Durchdringend musterte er sie.
»Weißt du, woher ich diese Narben habe? Kennst du diese Geschichte?«
Morn schüttelte den Kopf. Die Erkenntnis, daß sie das Z-Implantat zu früh aktiviert, sich im falschen Moment zur Hilflosigkeit verurteilt hatte, entrang ihrer Kehle ein Stöhnen.
»Eine Frau hat mir das angetan. Sie war Piratin… und ich nur ’n dummer Junge. Normalerweise hätte sie sie mich bloß belächelt und stehen gelassen. Aber ich kannte Informationen, die sie haben wollte, also ist sie anders zu mir gewesen. Statt dessen hat sie mich dazu verleitet, ihr beim Kapern eines Raumschiffs zu helfen. Und ich habe an sie geglaubt. Ich wußte nicht, was Verachtung bedeutet… Und hatte keine Ahnung von Frauen. Ich dachte, sie nähme mich ernst. Als sie das Schiff geentert hatte, brauchte sie mich aber nicht mehr. Von da an hat sie mich bloß noch ausgelacht. Sie hat die gesamte Besatzung niedergemetzelt, jeden den sie an Bord entdeckte, mich dagegen ließ sie leben. Erst zerschnitt sie mir das Gesicht. Dann setzte sie sich ab, ich mußte allein an Bord des Raumers zurückbleiben, ich sollte langsam krepieren, um zu begreifen, wie tief sie mich verachtete. Vielleicht meinte sie, ich brächte mich um oder würde wahnsinnig, ehe ich verdurste… Lachst du auch über mich?«
Morn starrte ihm ins Gesicht. Sie hätte wenigstens versuchen sollen, eingeschüchtert oder empört auszusehen, aber die momentan völlig verfehlte sexuelle Gier stumpfte ihre Geistesgegenwart ab.
»Warum bist du bei diesem Drecksack Kaptein Thermogeil geblieben?« Nicks Fäuste verdrehten ihr schmerzhaft die Handgelenke, während sein Blick sie zornentbrannt anfunkelte. »Wieso bist du zu mir übergelaufen? Was ist das für ’ne Intrige? Wie hast du vor, mich reinzulegen?«
Endlich durchschaute Morn sein Verhalten. Er befürchtete, von ihr abhängig zu werden. Für ihn bedeuteten Frauen lediglich Gegenstände, die er benutzte und irgendwann, wenn er von ihnen genug
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