Amnion 2: Verbotenes Wissen
Sicherheit, mit der sie sprach, kaum bewußt. »Er dürfte mit allem anderen auch wieder auftauchen.«
»Dann stehen wir danach vor dem gleichen Problem.«
»Aber das Raumschiff kann navigiert werden«, antwortete Morn. »Wir können ersehen, wo wir sind.«
Was wollt ihr mehr von mir?
Unvermittelt rieb Nick sich die Hände, patschte sie danach auf seine Kontrollkonsole. Er hatte seinen Übermut wiedergewonnen. »Beim Arsch der Galaxis, wir tricksen das Ding einfach aus. Ich scheiße auf das Virus. Soll der Kassierer ihn für uns killen. Solange das Virus da ist, überlisten wir es. Die Bordsysteme können wir auf Automatik geschaltet lassen. Kann sein, uns geht’s dabei nicht ganz angenehm, aber wir bleiben am Leben. Wir benutzen die Computer, um unsere Berechnungen vorzunehmen, um zu planen, was wir tun müssen. Danach zerlegen wir das Netz und geben an jedem Computer die Befehle manuell ein. Das wird zwar so beschissen schludrig sein, daß wir nicht mal noch an ’ner Signalbake vorbeimanövrieren können, aber wenigstens haben wir dadurch ’ne Aussicht, dort anzulangen, wohin wir wollen.«
Er blickte in die Runde. »Einverstanden?« fragte er. »Ist jeder damit zufrieden?« Doch offensichtlich erwartete er keine Antwort. »Dann fangen wir an. Mackern, laß Morn an deine Konsole. Sie macht die Installation.
Anschließend übernimmst du zusammen mit Parmute das weitere.«
Mit einer weiträumigen Gebärde seines Arms wies er Morn in die Richtung von Mackerns Sitz.
Leichten Mutes und selbstsicher, geleitet durch ihre neuen Prioritäten, ließ Morn am G-Andrucksessel des Bordtechnikers die Gurte aufschnappen und schritt an Mikka, Carmel und Lind vorbei zum Datensysteme-Hauptoperator.
Lind grinste ihr zu wie ein Bengel; Carmel furchte zurückhaltend die Stirn. Mikka musterte Morn aufmerksam, als sie an ihr vorbeiging. »Traust du ihr?« fragte sie Nick.
»Welchen Schaden könnte sie denn nach deiner Ansicht noch anrichten?« lautete seine Gegenfrage. »Es ist schon alles gelöscht. Ohne die Daten steckt sie genauso wie wir in der Tinte.«
Damit sprach er die Wahrheit aus. In diesem Moment hegte Morn keinerlei Hintergedanken. In einer solchen Lage hätte sich womöglich sogar Angus Thermopyle grundehrlich verhalten.
Aber er hätte keinen Finger gerührt, um seinen Sohn zu retten. Wäre Morn noch in seiner Gewalt gewesen, hätte er möglicherweise einige der eher obskuren Funktionen des Z-Implantats mißbraucht, um ihr einen möglichst schmerzhaften Abortus zu verursachen.
Unterwegs entfernte Morn die Id-Plakette von ihrem Hals.
Mackern gaffte sie an. Seine Haut hatte eine gräuliche Färbung angenommen und wirkte unnatürlich straff, seine Augen schwammen in Schweiß.
Weil er allem Anschein nach mit Männern wie Orn Vorbuld, Nick Succorso und Angus Thermopyle absolut nichts gemeinsam hatte, lächelte Morn ihm zu, als sie die Id-Plakette in seine Kontrollkonsole einführte.
Er erwiderte das Lächeln nicht. Offenbar konnte er es schlichtweg nicht; zu sehr befürchtete er, sich eitlen Hoffnungen hinzugeben.
Mittels der Plakette und ihrer Codes verschaffte sie sich Zugriff auf den Data-Nukleus der Käptens Liebchen; sie initiierte die mit einem Abspielvorgang vergleichbaren Datendarstellungsverfahren, wie sie der Sicherheitsdienst der KombiMontan-Station angewendet hatte, um nach Beweisen zu forschen, die es zugelassen hätten, Angus wegen eines mieseren Vergehens als der widerrechtlichen Aneignung von Stationsvorräten abzuurteilen. »Ehe Sie die Überspielung in Gang setzen«, sagte sie im Anschluß daran zu Mackern, »müssen Sie die Datenübertragungswege bestimmen und die Computer auf Kopierfunktion stellen. Wie man das macht, wissen Sie ja selber.«
Langsam nickte er ein einziges Mal, als hätte er kein Vertrauen mehr zu seiner Halsmuskulatur.
»Wenn die Datendarstellung endet«, ergänzte Morn ihren Hinweis, »brauchen Sie nur meine Id-Plakette rauszuziehen. Dadurch erfolgt ein Kaltstart des Data-Nukleus. Und Ihre Kontrollen werden freigegeben. Dann können Sie wieder an die Arbeit gehen.«
Er nuschelte etwas, das ein ›Danke‹ sein mochte.
Sie kehrte ihm den Rücken zu.
Auf der anderen Seite der Brücke beobachtete Nick sie mit Blut in den Narben und Leidenschaft in den Augen.
»Nick«, sagte Morn, um die Gunst des Augenblicks auszunutzen – und die unbeschreibliche Wandlung, die sich in ihrem Innern vollzogen hatte –, »ich bin’s leid, bloß Passagierin zu sein. Ich will was zu tun.
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