Amnion 4: Chaos und Ordnung
Umständen war Josua vielleicht auf Unterstützung angewiesen. Und an wen hätte er sich wenden sollen, wenn nicht an einen anderen unserer Agenten, in diesem Fall an Nick Succorso? Sollte es so gewesen sein, daß Kapitän Succorso als Gegenleistung für seinen Beistand Morn Hylands Schonung verlangt hat, hätte Josuas Programmierung einem Einverständnis durchaus nicht entgegengestanden.«
»Na schön«, knurrte Warden. Eben dies Argument hatte er Holt Fasner genannt. Es war falsch; daran kannte er keinen Zweifel. »Und wieso, zum Teufel, sollte Succorso so etwas tun?«
Vor was für einer Verräterei hast du Furcht? Faselst du über dich selbst?
Hashi Lebwohl richtete sich im Sessel auf; als merkte er nicht, was er trieb, vollführten seine Hände fahrige, lasche Bewegungen, um den zerknitterten Laborkittel zu glätten. Einen Moment lang hatte es den Anschein, als wäre er nicht willens, Wardens Blick zu erwidern. Dann jedoch schaute er den Polizeipräsidenten geradeheraus an.
»Polizeipräsident Dios, was ich Ihnen zu sagen habe, wird Sie sicherlich verärgern.« Die innere Anspannung verlieh seiner Stimme einen heiseren, röchelnden Klang. »Aber ich bin der Ansicht, ich bin mit beinahe hellseherischer Klugheit vorgegangen.«
Warden verschränkte die Arme auf der Brust; wartete grimmig und in der Hoffnung auf das Kommende, nun endlich die Wahrheit zu erfahren.
»Sie sind verstimmt«, meinte Hashi Lebwohl, »weil Sie von mir nicht umfassend informiert worden sind. Um einen bei unserem respektablen Regierungskonzil beliebten Terminus zu verwenden, ich habe Ihnen keine ›vollständige Bestandsaufnahme der Fakten‹ präsentiert. Dafür werden Sie mich rügen, oder Sie werden es zu schätzen wissen, ganz wie Sie es als angebracht erachten. Aber ich will Ihnen unverblümt sagen« – in seinem Tonfall klang frecher Trotz an –, »daß ich es nicht als zu meinen Dienstpflichten gehörig betrachte, jederzeit ›vollständige Bestandsaufnahmen der Fakten‹ zu liefern. Wenn es nötig war, habe ich immer alle akquisirierten Daten offengelegt. Und es ist offenkundig, daß nun eine Offenlegung unumgänglich ist.«
Er schob sich die Brille auf der Nase zurecht, um wirrer oder deutlicher zu machen, was Warden sah.
»Kapitän Scroyles Funkspruch ist nicht die einzige Nachricht, die ich über die Geschehnisse auf und um Thanatos Minor erhalten habe. Außerdem ist mir ein Blitz Nick Succorsos zugegangen. Diese Mitteilung erklärt mein Zögern, die bisher gesammelten Informationen in vollem Umfang weiterzureichen, und ebenso die Maßnahmen, die daraufhin meinerseits ergriffen worden sind.«
Das sieht nach Verrat aus. Verräterei und Betrug. Nick Succorso ist…
Warden mußte sich fast auf die Zunge beißen, um seine Ungeduld zu zügeln. Welcher Betrug? Was für Maßnahmen?
»Ich möchte Succorso wörtlich zitieren.« Der Streß, der in Hashi Lebwohls Stimme mitschwang, hatte Anklänge einer bei ihm ungewohnten Förmlichkeit zur Folge. »Der Text lautet: ›Wenn Sie sie kriegen, Sie Schuft, können Sie sie haben. Mir ist es gleich, was aus Ihnen wird. Sie waren auf mich angewiesen und haben trotzdem alles verbockt. Sie haben so etwas wie sie verdient. Kaze sind doch einfach zu spaßig, was?‹«
»›Kaze sind zu spaßig‹?« wiederholte Warden unwillkürlich; Entgeisterung beeinträchtigte seine Selbstkontrolle. »Das hat er gefunkt?«
Hashi Lebwohl nickte. Vielleicht bereitete Wardens Staunen ihm Genugtuung. »Sie sehen, vor welche Probleme dieser Satz uns stellt. Auf den ersten Blick könnte man meinen, er wäre auf unbegreifliche Weise über unsere neuesten Schwierigkeiten informiert. Und es ist völlig offen, von welcher Person, die wir ›haben können‹ sollen, er eigentlich spricht. Ich mußte es als meine dienstliche Pflicht ansehen, Polizeipräsident Dios, aus Kapitän Succorsos und geradeso aus Kapitän Scroyles Funknachricht meine Schlußfolgerungen zu ziehen. Um eine Erklärung für die unverhohlene Drohung in Kapitän Succorsos Äußerungen und auch für die nicht richtig durchschaubaren Einzelheiten in Kapitän Scroyles Meldung zu finden, habe ich ein Szenario konstruiert, das, wie ich sagen muß, mir regelrechtes Grauen einflößt.« Er wirkte keinesfalls, als ob ihn Grauen schüttelte. Der Glanz seiner Augen hinter den Schlieren der Brillengläser bezeugte vielmehr Stolz. Kaze sind doch einfach zu spaßig. Zu spaßig?
»Lassen Sie mich Ihnen zunächst noch eine zusätzliche Hintergrundinformation
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