Amnion 4: Chaos und Ordnung
bildeten sich an seinen Schläfen Schweißperlen. In der Mitte jeder Wange entstand eine geradezu unwahrscheinlich kreisrunde Rötung, die sich scharf von der übrigen Haut abzeichnete. Er zwinkerte hektisch mit den blauen Augen, aus denen, als gäbe es für ihn dazwischen keinen Unterschied, Blitze äußerster Panik und schrankenloser Bosheit zu zucken schienen.
»In diesem Fall werden Sie mir vielleicht erlauben, Polizeipräsident Dios«, nuschelte er halblaut, »meine bislang vorliegende Meldung zu ergänzen.«
»Ich bitte darum.«
»Eigentümer der Freistaat Eden ist Kapitän Darrin Scroyle«, antwortete Hashi Lebwohl rasch. »Wenn Kapitän Scroyle der ehrenwerten Direktorin der Operativen Abteilung angegeben hat, im Auftrag der Vereinigten Montan-Kombinate zu handeln, sei es auf Wunsch Cleatus Fanes oder einer anderen konzerninternen Instanz, hat er…« Lebwohl unternahm eine sichtliche Anstrengung und bezähmte seinen Hang zu weitschweifiger Verschleierungsrhetorik. »Dann hat er die Unwahrheit gesprochen, um zu verheimlichen, daß er für mich tätig ist.«
Warden Dios schnitt eine böse Miene; ansonsten jedoch verhehlte er seine Empfindungen.
»Kapitän Scroyle ist Söldner«, erläuterte Hashi Lebwohl. »Gelegentlich betraue ich derlei Individuen mit Sonderaufträgen. Ich verlange von ihnen absolute Geheimhaltung der Aktionen. Zudem hängt der Wert, den Kapitän Scroyle für mich hat, zum großen Teil davon ab, daß er als Illegaler gilt. Aus diesen Gründen hat er Direktorin Donner irregeführt. Dieses Mal habe ich ihn vor ein paar Wochen – gewissermaßen als meinen Stellvertreter – nach Thanatos Minor geschickt, sozusagen als meinen mobilen Lauschposten. Ich neige nicht zur Selbstzufriedenheit, Warden. Zwar habe ich Vertrauen in die an Josua geleistete Arbeit, und ich stehe dafür ein, aber mich ausschließlich darauf zu verlassen war mir zuwenig. Deshalb habe ich Kapitän Scroyle mit genau dem beauftragt, was er getan hat – nämlich eine frühzeitige Meldung über den Verlauf der Operation Josuas gegen Thanatos Minor zu senden. Habe ich damit unklug gehandelt? Haben Kapitän Scroyles Informationen nicht längst ihre Nützlichkeit erwiesen?«
Warden überging die Frage nach der Brauchbarkeit von Kapitän Scroyles Informationen mit einem Schnauben. »Darum geht es gar nicht, das wissen Sie genau.« Tatsächlich waren diese Informationen geradezu unbezahlbar. Dennoch hatten sie für Dios keine so entscheidende Bedeutung wie die Garantie, dem DA-Direktor Vertrauen schenken zu können. »Die Frage ist, warum ich von Ihnen in all das nicht eingeweiht worden bin. Gottverdammt noch mal, ich bin der Polizeipräsident der VMKP. Was ist in Sie gefahren, daß Sie glauben, mich anlügen zu müssen? Sie sind Chef der Abteilung Datenakquisition. Es ist Ihre Pflicht, mich über Tatsachen in Kenntnis zu setzen, und nicht, mir irgendwelchen Scheiß aufzutischen.«
Hashi Lebwohl war der einzige Warden bekannte Mensch, der schwindeln konnte, ohne daß man es ihm anmerkte. Bei Ausflüchten eine ruhige Miene und selbstbewußtes Auftreten zu bewahren, fiel leicht; ebenso mühelos waren Menschen zu allen erdenklichen Arten des Täuschens und Verstellens imstande. Doch dem Körper autonome Reaktionen zu verbieten, blieb normalerweise unmöglich. Und die eigentümlichen Streß-Symptome des Lügens hatten eine spezifische Infrarotsignatur, die Warden bei jedermann erkannte – bei jedem außer Hashi Lebwohl. Mehr als anhand beliebiger sonstiger Anzeichen ersah Warden aus genau diesem Umstand, daß Lebwohl zwischen Wahrheit und Lüge keine wesentliche Unterscheidung traf. Man merkte ihm keinen Streß an, weil er nichts dergleichen empfand.
Jetzt jedoch verspürte er Streß. Aufgrund dessen flackerte seine Aura. Unter dem psychischen Druck pochte sein Puls mühsamer. Wardens Vorhaltungen rührten bei ihm an eine Schwäche, die mit Wahrheit oder Falschheit in keinem Zusammenhang stand.
»Mir ist bewußt«, erklärte er, wobei er unbehaglich die Achseln zuckte, »daß alle Informationen, die Sie erhalten, auch an Generaldirektor Fasner gehen, und ich wollte Kapitän Scroyle nicht kompromittieren, indem ich Leuten von seiner Nützlichkeit Kenntnis gebe, denen ich nicht traue. Außerdem war ich der Ansicht, daß Sie gegenüber Generaldirektor Fasner eine vorteilhaftere Position hätten, wenn er nicht über alle Mittel Bescheid weiß, die ich anwenden kann und die somit Ihnen zur Verfügung stehen. Andererseits wäre es
Weitere Kostenlose Bücher