Amnion 4: Chaos und Ordnung
unverwandt zur Decke des Büros gehoben, »die den Zweck hatte, die Wahrheit zu verbergen. Daß Succorso dem Kassierer Morn Hyland in einer Kosmokapsel geschickt hat, war nur ein Trick. Danach hat er sie wieder in seinen Gewahrsam gebracht, wahrscheinlich mit amnionischer Hilfe. Sorus Chatelaine wiederum hat das Gerücht ausgestreut, daß es ein Antimutagen-Immunitätsserum gibt, und zwar in ihrem Besitz. Daß jemand durch Succorso den Amnion überlassen und dann von ihnen zurückgeholt worden ist, war nur ein abgekartetes Manöver, um die Wirksamkeit des Medikaments zu demonstrieren. Nachdem er das erreicht hatte, erwirkte Kapitän Succorso – vielleicht durch seine frühere Komplizenschaft mit Milos Taverner –, daß er und Morn Hyland sich an Bord der Posaune in Sicherheit bringen konnten. Mit welchen Ergebnissen? Morn Hyland, scheinbar harmlos, stellt sich wieder bei uns ein, das VMKP-HQ wird durch einen gen-terroristischen Anschlag ausgeschaltet, die ganze Menschheit erleidet einen gewaltigen Schrecken. Und an wen wendet sich unsere Spezies, um noch eine Hoffnung zu haben? Na, selbstverständlich an Nick Succorso und Sorus Chatelaine, die ein erwiesenermaßen effektives Antimutagen-Mittel anzubieten haben.«
Hashi Lebwohl senkte den Blick und sah Warden an. »Klingt das nicht hundertprozentig nach unserem guten Kapitän Succorso? Ihm winkt unvorstellbarer Reichtum. Und uns will er einschüchtern.« Humorlos schmunzelte Lebwohl. »Darum hat er die Blitz-Nachricht geschickt. Er ist unverschämt genug, uns zu verhöhnen, weil er sich einbildet, wir seien zu dumm, um seine betrügerischen Machenschaften zu durchschauen. Er kann den Versuchungen seines Überlegenheitswahns nicht widerstehen.«
Warden schluckte hörbar. »Das war’s?« Das Schwitzen konnte er nicht verhindern; aber die Stimme hatte er unbarmherzig unter seiner Gewalt. »Das ist Ihr Szenario?«
Lebwohl nickte. Stolz verfärbte seine Aura, aber ebenso eine Emanation von Heimtücke.
»Und Sie glauben daran?« hakte Dios nach.
»Glauben?« Fahrig winkte der DA-Direktor ab. »Für mich ist es keine Frage des Glaubens oder Nichtglaubens. Es handelt sich um eine Hypothese, um mehr nicht. Ich halte sie für plausibel. Deshalb könnte sie zutreffend sein. Glauben oder Zweifel haben darauf keinen Einfluß.«
»Aber Ihr Szenario erschreckt Sie nicht«, sagte Warden.
»Ob es mich ›erschreckt‹, fragen Sie? Nein, es erschreckt mich nicht. Ich bin der Meinung, es ist eine gruselige Gedankenspielerei. In der Praxis sehe ich allerdings keinen Grund zur Beunruhigung.«
Warden nahm die Arme vom Brustkorb und legte die Fäuste auf die Schreibtischplatte. Er wollte, daß Lebwohl seinen Unmut sah; und auch, wie sehr er sich beherrschte.
»Es erschreckt Sie nicht«, knurrte Dios, »weil Ihrerseits schon etwas dagegen unternommen worden ist. Sie haben inzwischen, wie Sie sich ausdrücken, ›mit beinahe hellseherischer Klugheit‹ irgendwelche ›Maßnahmen‹ veranlaßt.« Durchschlagende und schauderhafte Taten. »Hören Sie jetzt nicht etwa auf mit den Informationen. Nun kommt der Teil, auf den ich schon die ganze Zeit warte.«
Geziert zuckten Lebwohls Lippen. Er rückte die Brille auf der Nase zurecht, schlug ein dürres Bein übers andere.
»Polizeipräsident Dios, ich habe Ihnen mein Vorgehen bislang verschwiegen, weil ich den Zeitpunkt für verkehrt hielt, um Sie einzuweihen. Entscheiden Sie selbst, ob ich richtig gehandelt habe. Als die Freistaat Eden der Rächer begegnete, hatte Kapitän Scroyle seine Meldung an mich abgesetzt und wartete auf neue Anweisungen. Ich habe ihm umgehend einen Kontrakt über einen weiteren Sonderauftrag offeriert.«
Plötzlich hegte Warden die unerschütterliche Überzeugung, daß er zu guter Letzt die Wahrheit hörte. »Sonderauftrag? Was für einen Sonderauftrag?«
Hashi Lebwohl strahlte seinen Chef an wie blauer Himmel. »Nach meiner Ansicht war unverzüglich entscheidendes Eingreifen nötig. Darum habe ich Kapitän Scroyle ein erkleckliches Honorar dafür geboten, die Posaune und sämtliche an Bord befindlichen Personen zu eliminieren.«
Fast hätte Warden aufgebrüllt; beinahe wäre er in Geschrei ausgebrochen – oder in Geheul. Seine Fäuste knallten auf den Tisch. Die Posaune zu eliminieren? Angus Thermopyle und Morn Hyland zu liquidieren, während er, Warden Dios, persönlich nahezu im wahrsten Sinne des Wortes Himmel und Erde in Bewegung versetzt hatte, um ihr Leben zu retten?
Hashi, du Dreckskerl! Du
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