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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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gänzlich im Geiste der gegenseitigen Offenheit –, daß mich ziemlich verdutzt, was Sie da sagen. In welcher Hinsicht möchten Sie ›ganz offen‹ zu mir sein?«
    »Sixten…«, sagte Igensard, stockte jedoch. »Ich darf Sie doch Sixten nennen?« fragte er erst einmal.
    Sixten preßte die Lippen zusammen, um sein Behagen zu verheimlichen. »Es ist mir lieber, Kapitän Vertigus genannt zu werden. Das ist eine Art von Ehrentitel« – diese Begründung fügte er hinzu, um nicht unhöflich zu wirken –, »den ich mir durchaus verdient habe.«
    Gleichmütig zuckte Maxim Igensard die Achseln. »Dann eben Kapitän Vertigus. Ich meine damit, daß ich bereit bin, Ihnen jede Frage – alle Fragen – bezüglich meiner Untersuchungen zu beantworten, die Warden Dios und die VMKP betreffen.«
    »Ach so.« Mit Mühe verhinderte Sixten, daß sich sein Gesicht zu einer Grimasse verzog. Die Wirkungslosigkeit seiner Anstrengungen, Igensard zu verunsichern, erinnerte ihn an frühere, schwerere Fehlschläge. Wieder befand er sich in der Gegenwart eines Mannes, der Macht und seine Geheimnisse hatte; und erneut wußte er nicht, wie er dagegen ankommen sollte. »Und worüber soll nach Ihrem Wunsch ich mich offen äußern?«
    »Ich würde Ihnen gern einige Fragen stellen«, antwortete Igensard sofort. Man hörte seinem Tonfall an, ihm war sehr wohl klar, daß er sich anmaßend verhielt, aber er hatte keine Wahl. Seine Pflicht hatte Vorrang. »Je wahrheitsgetreuer und vollständiger Sie darauf Auskünfte erteilen, um so nützlicher werden Ihre Darlegungen mir sein. Nicht mir persönlich natürlich, sondern als vom EKRK mit diesen Untersuchungen beauftragter Sonderbevollmächtigter.«
    »Das sehe ich ein«, beteuerte Sixten. Er nahm sich einen Moment Zeit zur Gewissenserforschung und gelangte zu dem Ergebnis, daß er nicht in der Stimmung war zu wachsweichen Sabbeleien. »Ein interessanter Vorschlag. Verzeihen Sie mir, wenn ich deswegen nicht vor Begeisterung vom Sitz falle. Offen gestanden, mir fällt überhaupt nichts ein, was Sie mir erzählen könnten, das ich wissen müßte oder wollte. Sie sind über meine Einstellung informiert. Seit Jahrzehnten halte ich als einzelner daran fest. Ich bin für die VMKP. Ich bin gegen die VMK. Und mein Standpunkt ist von solchen Einzelheiten der Funktion wie Ehre oder Dienstvergehen völlig unabhängig. Überzeugen Sie mich davon, daß Holt Fasner rein wie ein Engel ist, oder zeigen Sie mir die Zahl des Tiers auf Warden Dios’ Stirn, ich bleibe auch dann bei meiner Haltung. Die Menschheit benötigt die VMKP. Aber der VMK muß die Menschheit sich entledigen. Wir sollten strukturelle Angelegenheiten erörtern, nicht Einzelheiten der Funktion. Aber wie ich die Lage sehe, stehen Strukturfragen außerhalb Ihrer Untersuchungsvollmachten.«
    Sixten hob die Schultern. »Das heißt allerdings nicht, daß ich keine Bereitschaft hätte, Fragen zu beantworten. Ich bin bloß ein alter Querulant, kein Obstruktionist. Was möchten Sie wissen?«
    Was willst du erfahren, Sonderbevollmächtigter? Was willst du aus mir herausholen?
    Während Sixten sprach, hatte Maxim Igensard zugehört, ohne mit der Wimper zu zucken. Er schien unerschöpfliche Geduld zu haben. Trotzdem vermittelte er den Eindruck, weiter in sich zusammenzusinken, dadurch noch kompakter und gleichzeitig gefährlicher zu werden. Sixten hatte das beunruhigende Gefühl, daß sich ein Wutausbruch Igensards, sollte je einer erfolgen, nicht von Wahnsinn unterscheiden ließe.
    »Sie sind ein bemerkenswerter Mann, Kapitän Vertigus«, sagte Igensard, sobald Sixten schwieg, regelrecht ehrerbietig. »Ich bin der Ansicht, Sie sollten Polizeipräsident der VMKP sein.«
    Mit beiden Händen winkte Sixten ab. »Schmeichelei…«
    »Nach mehreren Jahrzehnten von Warden Dios’ Wirken«, erklärte Igensard, als dürfte niemand ihm ins Wort fallen, »sind es Redlichkeit und Anstand, was die Menschheit am dringendsten braucht. Männer wie Dios und Lebwohl spezialisieren sich auf moralische Taschenspielereien, und davon haben wir inzwischen genug erlebt. Noch allzu viel mehr dergleichen können wir nicht verkraften. Sie dagegen… Sie wären diese Aufgabe im Schlaf zu erfüllen fähig.«
    »Schmeichelei ist pure Zeitverschwendung«, entgegnete Sixten lakonisch. »Ich erledige alles im Schlaf. Deshalb bin ich noch längst nicht der Richtige für den Posten des VMKP-Chefs. Es ist bloß ein Zeichen dafür, wie alt ich bin. Nur zu, rücken Sie raus mit Ihren Fragen. Ob ich

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