Amnion 4: Chaos und Ordnung
ab. Aber was dann? Alle seine Maßnahmen, auch all sein Gerede, beruht auf Instruktionen, die mit jeder Stunde veralten. Nach der Einschätzung Hashi Lebwohls beziehungsweise der DA könnte er dadurch zu einer Gefahr werden. Seiner Programmierung kann Angus sich nicht entziehen. Es ist jedoch vorstellbar, daß seine Programme unter gewissen Umständen versagen. Ein unvorhergesehenes Ereignis kann ’ne Logikschleife verursachen, und er wird zu einem Cyborg-Amokläufer. Oder von den Zwängen der Programmierung frei. Darum darf die DA es nicht riskieren, ihn zurückzuholen, bevor vollständig sicher ist, daß von ihm keine Gefährdung ausgeht…«
Nick schwieg kurz; sein Blick schweifte durch die Brücke. »Mit anderen Worten« – er scheiterte bei dem Bemühen, seiner Stimme einen Tonfall des Triumphs zu verleihen –, »es mußte ein Ersatzmann für Milos her.«
Ja natürlich.
»Verrat’s nicht«, sagte Vector unvermutet. Seine vom Schmerz stumpfen Augen erwiderten Nicks bitterbösen Blick. Obwohl Vectors Stimme so schwach klang, wie sein Gesicht bleich war, deutete sie eine gewisse Festigkeit an; die Weigerung, eingeschüchtert zu werden. »Wir ahnen es schon. Die DA hat dich ausgeguckt.«
Morn blieb in sich selbst zurückgezogen, so klein und hart und fern, wie sie es nur zustande zu bringen vermocht hatte.
Unwillkürlich entstellte ein Ausdruck der Häme Nicks Mund. »Zufällig verhält’s sich so, daß wir von ’m Raumschiff verfolgt werden, dem VMKP-Kreuzer Rächer. Er hängt ziemlich weit zurück, aber vor etwa einer Stunde, unmittelbar bevor wir in die Tach übergewechselt sind, hat er uns ’ne Mitteilung zugefunkt.« Er bleckte die Zähne. »Die Astro-Schnäpper haben mir Angus’ neue Prioritätscodes zukommen lassen. Na, wenn ihr das geahnt habt, wird euch wohl auch der Rest klar sein. Jetzt habe ich über ihn das Kommando. Er gehorcht mir. Und er wird mir nicht ungehorsam sein, meine Befehle nicht mißachten, er kann mir nicht einmal mit dem Zeigefinger drohen, denn seine Programmierung erlaubt es ihm nicht. Habt ihr gut zugehört?« Nick schaute sich triumphierend auf der Brücke um.
»Habt ihr geschnallt, wie die Sache steht? Ich habe ihm als erstes befohlen, mich zu beschützen. Kann sein, ihr Lumpenpack denkt, ihr könnt euch gegen mich zusammenrotten, aber das ist bloß Tagträumerei. Um mir was anhaben zu können, müßt ihr erst an ’m Cyborg mit Roboterreflexen und integrierten Lasern vorbei. Und ich selbst bin auch keineswegs wehrlos.«
Er wedelte mit Milos’ kleiner Stunnerrute, tätschelte dann damit die Kommandokonsole. »Und ich habe die Codes für das Raumschiff. Die Posaune gehört jetzt auch mir.«
Er konnte nicht mehr stillsitzen, seine lockere Haltung nicht beibehalten. Zu gründlich war er zuvor geschlagen worden: keine Macht reichte jetzt noch aus, um ihn daran zu hindern, sich in den Mann zurückzuverwandeln, der nie unterlag. Aufgewühlt durch das Ausmaß all seiner Schlappen, vollführte er während des Sprechens mit den Fäusten abgehackte, Boxhieben ähnliche Bewegungen, als bekämpfte er einen unsichtbaren Gegner. Seine Stimme klang schrill und nach Blut, ähnlich wie ein Bohrer, der sich durch Knochen fraß.
»Ich bin mir sicher, daß Hashi Lebwohl in seiner unendlichen Weisheit sich einbildet, er könnte mich im Sinne der DA beschwatzen. Oder mich übertölpeln. Oder wenigstens mit mir feilschen. Damit ich tu, was er will. Und vielleicht hat er ja durchaus recht. Ich weiß es nicht, bis ich erfahren habe, was er zu bieten hat. Aber falls er glaubt, er kann mich zu irgend etwas überreden, das zu meinem Nachteil ist, oder dahingehend einseifen, daß ich aufgebe, was ich jetzt habe, dann ist sein gottverdammtes verdrehtes Hirn völlig im Eimer. Jetzt habe ich einen Raumer mit genug Feuerkraft, um’s mit ’m Schlachtschiff aufzunehmen. Und ’n Ersten Offizier, der beispiellose Tricks beherrscht und mir nicht widerspricht. Wenn Vector in dem Labor seine Arbeit erledigt hat, verfüge ich über etwas, das ich für genügend Kredit verkaufen kann, um mir ’ne eigene Raumstation zu bauen.« Sein ganzes Gesicht schien sich um seine Narben zusammenzuziehen. »Und dann werde ich euch und ein paar anderen Typen zeigen, was wahre Rache bedeutet.«
»Falls du nicht vorher beknackt wirst«, murmelte Davies mürrisch, »und dich selbst umbringst.«
Ruckhaft schwenkte Nick die Kommandoposition herum, richtete seinen Zorn geradewegs gegen Davies. »Dich lasse ich
Weitere Kostenlose Bücher